Die AGB-Kontrolle gibt Auftragnehmern die Möglichkeit, Klauseln eines unterzeichneten Vertrages noch zu einem späteren Zeitpunkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Zwischen den Bauvertragsparteien individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen stehen jedoch regelmäßig außerhalb des AGB-Schutzes.

Die AGB-Kontrolle gibt Auftragnehmern die Möglichkeit, Klauseln eines unterzeichneten Vertrages noch zu einem späteren Zeitpunkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Zwischen den Bauvertragsparteien individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen stehen jedoch regelmäßig außerhalb des AGB-Schutzes. (Foto: © Vössing)

Individuelle Bedingungen in Bauverträgen: Verhandelt wird nicht!

Bauverträge beinhalten oft neben den vom Auftraggeber vorformulierten Bedingungen auch solche, die individuell mit dem Auftragnehmer vereinbart werden. Damit Individualvereinbarungen auch als solche Gültigkeit haben, sind hohe Anforderungen zu erfüllen.

Von Jörg Teller

Auch Fassadenbauverträge bestehen regelmäßig aus zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelten Klauseln einerseits und andererseits aus – üblicherweise – vom Auftraggeber vorformulierten Vertragsbedingungen. Ob eine vertragliche Regelung als ausgehandelte Individualvereinbarung oder als vorgegebene Allgemeine Geschäftsbedingung zu bewerten ist, kann letztendlich erhebliche Auswirkungen auf die Durchführung eines Bauvertrages sowie dessen wirtschaftlichen Erfolg haben.

Bei für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen des Auftraggebers hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, die Wirksamkeit derartiger Klauseln – z.B. die Verlagerung des Abnahme- oder Zahlungsdatums lange nach der Fertigstellung der Leistung – anhand der AGB-rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 305 ff. BGB) prüfen zu lassen. Das führt bei vielen Bauverträgen dazu, dass für ihn ungünstige Vertragsregularien als unwirksam erkannt werden.

Die sogenannte AGB-Kontrolle gibt dem Auftragnehmer mithin die Möglichkeit, Klauseln eines bereits von ihm unterzeichneten Vertrages noch zu einem späteren Zeitpunkt kritisch zu hinterfragen und ggf. deren Unwirksamkeit feststellen zu lassen. Wird dagegen eine Vertragsbedingung zwischen den Bauvertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt, stehen solche Regelungen regelmäßig außerhalb eines AGB-Schutzes. Dies bedeutet konkret, dass im Wege einer Individualvereinbarung Regelungen wirksam vertraglich vereinbart werden können, die von den gesetzlichen Bestimmungen oder von der VOB/B nicht unerheblich abweichen können und vom Auftragnehmer als ungerecht empfunden werden.

Dementsprechend wird bei Gericht zu Beginn eines Bauprozesses regelmäßig darüber gestritten, ob eine – möglicherweise unwirksame – Allgemeine Geschäftsbedingung oder eine – aus Sicht des Auftragnehmers unfaire – wirksame Individualvereinbarung vorliegt. Im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Köln und später auch der Bundesgerichtshof mit diesen grundlegenden und für die Baupraxis wichtigen Fragen beschäftigt.

Aktueller Fall

Im verhandelten Fall wurde der Auftragnehmer, ein Unternehmen, das sich mit der Planung, Errichtung und dem Management von Gesundheitseinrichtungen befasst, von einem städtischen Krankenhausträger im Rahmen der Erweiterung eines Krankenhauses mit dem Neubau insbesondere eines Behandlungs- und Bettengebäudes und eines Parkhauses beauftragt. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Pauschalfestpreis in Höhe von 50.411.820,00 Euro. Der Generalübernehmervertrag sieht eine Vertragsstrafe für den Fall der Überschreitung einer definierten Fertigstellungsfrist vor.

Im Rahmen einer später getroffenen Zusatzvereinbarung wurde der Auftragnehmer für eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 1.499.507,51 Euro mit der Planung bzw. dem Umbau der zunächst geplanten Weaning-Station in eine Intensivstation beauftragt. Der Fertigstellungstermin wurde um etwa drei Monate verschoben. Die Zusatzvereinbarung enthält erneut eine Vertragsstrafe für den Fall der Fristüberschreitung. Da die Bauleistungen nicht fristgerecht erbracht wurden, zog der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.196.051,96 Euro von seinem Werklohn ab.

Es kam zum Rechtsstreit, in dem der Auftragnehmer argumentierte, dass es sich bei der Vertragsstrafenklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, die einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalte. Der Auftraggeber argumentierte dagegen, dass die Regelung zur Vertragsstrafe ausgehandelt worden sei und es sich daher nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele; die Vertragsstrafenklausel sei aus seiner Sicht wirksam (OLG Köln, Urteil vom 23.06.2021, Az: 16 U 10/19; BGH, Beschluss vom 26.04.2023, Az: VII ZR 770/21).

Entscheidung des OLG Köln/BGH

Nicht zuletzt wegen des erheblichen Streitwertes wurde zunächst das Oberlandesgericht Köln und später auch der Bundesgerichtshof mit der Sache befasst. Es wurde geurteilt, dass es sich bei der Vertragsstrafenregelung um eine vorgegebene Klausel handelt, die einer AGB-Kontrolle zu unterziehen ist bzw. unterzogen werden kann. Die Regelung zur Vertragsstrafe in der Zusatzvereinbarung sei vom Auftraggeber vorformuliert worden; es handele sich damit um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Ein Aushandeln und damit eine Individualvereinbarung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegt aus gerichtlicher Sicht nicht vor.

An ein Aushandeln im Rechtssinne seien hohe Anforderungen zu stellen. Im Kern müsse der Verwender (hier der Auftraggeber) zum einen den gesetzesfremden Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellen und zum anderen dem Partner (hier Auftragnehmer) reale Einflussmöglichkeiten einräumen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. In aller Regel schlage sich ein Aushandeln in Änderungen nieder. Fehlende Änderungen begründen aus gerichtlicher Sicht eine (kaum widerlegbare) Vermutung, dass dem Vertragspartner keine reale Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt worden ist. Im Übrigen habe vorliegend für den Auftragnehmer keine wirkliche Verhandlungschance bestanden.

Auch das Argument des Auftraggebers, der Auftragnehmer habe im Rahmen des Vertragsgesprächs vorgeschlagen, keine Vertragsstrafe zu vereinbaren, begründet aus gerichtlicher Sicht kein Aushandeln im Rechtssinne, denn der Auftraggeber habe diesen Vorschlag im Gespräch "rundweg abgelehnt". Gerichtlich wurde im Ergebnis Folgendes herausgearbeitet: Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind.

An ein Aushandeln sind hohe Anforderungen zu stellen. Im Kern muss der Verwender zum einen den gesetzesfremden Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellen und zum anderen dem Partner reale Einflussmöglichkeiten einräumen. Bei öffentlichen Auftraggebern bestehe aus gerichtlicher Sicht regelmäßig keine echte Verhandlungschance (OLG Köln, Urteil vom 23.06.2021, Az: 16 U 10/19; BGH, Beschluss vom 26.04.2023, Az: VII ZR 770/21).

Für die Praxis

Die Kontrolle von Vertragsklauseln anhand der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ist ein in der Praxis wichtiges und starkes Instrument der Vertragspartei, die vorformulierte Vertragsbedingungen der anderen Partei (typischerweise von Seiten des Auftraggebers) entgegengenommen hat bzw. entgegennehmen musste.

Interessant ist der Mechanismus auch deswegen, weil Vertragsklauseln auch noch geraume Zeit nach Vertragsabschluss während der Durchführung des Bauvorhabens oder auch nach Fertigstellung auf ihre Wirksamkeit hin geprüft werden können. Nicht selten steht am Ende eines Bauprozesses die Feststellung, dass die aus Sicht des Auftragnehmers unfaire Vergütungs-, Vertragsstrafen- oder Abnahmeklausel in den Vertragsbedingungen des Auftraggebers unwirksam ist.

Dies bedeutet in derartigen Fällen, dass die gesetzlichen Vorschriften gelten, was regelmäßig zur Folge hat, dass beispielsweise gekürzte Vergütungsbeträge auszubezahlen oder Abnahmen zeitnah nach Fertigstellung durchzuführen sind.

Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.


Weitere Informationen: Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Individuelle Bedingungen in Bauverträgen: Verhandelt wird nicht!