Die durch Abriss und Sanierung anfallenden Abfälle aus Wärmdämmverbundsystemen mit EPS werden deutlich steigen. Eine werkstoffliche Verwertung der Bestandteile ist aktuell noch nicht möglich.

Die durch Abriss und Sanierung anfallenden Abfälle aus Wärmdämmverbundsystemen mit EPS werden deutlich steigen. Eine werkstoffliche Verwertung der Bestandteile ist aktuell noch nicht möglich. (Foto: © Günther Hogen)

WDVS-Recycling: Zerkleinerung spielt eine Schlüsselrolle

Die künftig steigenden Abfallmengen von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) erfordern im Sinne der Kreislaufwirtschaft alternative Entsorgungskonzepte.

Neue Verwertungsverfahren werden entwickelt, stellen allerdings Anforderungen an die eingesetzten Abfälle.

Eine Vorkonditionierung der Stoffströme ist erforderlich. seit Jahrzehnten ist expandiertes Polystyrol (EPS) der meistgenutzte Dämmstoff. Laut Angaben des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme, veröffentlicht in einer Studie des Fraunhofer IBP, wurden in Deutschland von 1960 bis 2012 insgesamt 900 Mio. m² WDVS verbaut. Davon entfallen 720 Mio. m² auf WDVS mit EPS als Dämmstoff, was einer Masse von über neun Millionen Tonnen entspricht.

Dank der langen Haltbarkeit des Dämmstoffs von bis zu 60 Jahren ist die Rücklaufmenge von Altmaterial derzeit noch gering. Doch es dürfte demnächst ein erhöhter Bedarf für die Entsorgung von WDVS anstehen. Für das Jahr 2050 ist von einer Gesamtabfallmenge an WDVS von rund 500.000 Tonnen im Jahr auszugehen. Die darin enthaltene EPS-Menge von rund 50.000 Tonnen weist ein Volumen von über drei Millionen Kubikmeter auf.

Einschränkungen in der Entsorgung

Ein Inhaltsstoff des alten EPS-Dämmstoffes ist das seit den 1960er Jahren zugefügte Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD), welches seit August 2015 in neuen EPS-Platten verboten ist. Daher werden seit Ende 2014 in Deutschland EPS-Dämmstoffe nur noch mit dem neuen Flammschutzmittel Polymer-FR produziert. Da EPS-Abfälle aus aktuellen Rückbau- und Sanierungsmaßnahmen in der Regel noch HBCD-haltig sind, ist darauf zu achten, dass diese in geeigneten Verfahren entsorgt werden.

Die Entsorgung HBCD-haltiger Abfälle wird unter anderem durch die POP-Abfall-Überwachungsverordnung geregelt, ohne dass die betroffenen Abfälle als gefährlich eingestuft sind. Gemischt anfallende WDVS-Abfälle mit Dämmstoffstärken von z.B. sechs Zentimetern und weniger haben meist einen HBCD-Gehalt von unter 1.000 mg pro Kilogramm und können ohne Nachweis befördert werden. Bei einem selektiven Rückbau oder beim Abriss von Systemen mit höherer Dämmstärke ist dies aber nicht der Fall, so dass die besonderen Anforderungen beachtet werden müssen. Die Abfälle, die aktuell beim Rückbau von Wärmedämmverbundsystemen anfallen, werden in der Regel in Müllverbrennungsanlagen (MVA) entsorgt.

Der Heizwert von Polystyrol liegt allerdings mit 38 MJ/kg weit über dem Heizwert, für den die Anlagen üblicherweise ausgelegt sind (i.d.R. 8 – 12 MJ/kg). Sofern die WDVS-Abfälle als Gesamtsystem verbrannt werden, senken zwar die massemäßig überwiegenden Anteile an Putz und Kleber im WDVS-Abfall den Heizwert des Gemisches und sorgen so für einen reibungslosen Prozessablauf, gleichzeitig weisen diese Abfälle dann aber einen unerwünscht hohen Aschegehalt auf. Vor dem Hintergrund der steigenden Abfallmengen, den rechtlichen und technischen Anforderungen bei der Entsorgung sowie den allgemeinen Zielen der Kreislaufwirtschaft ist es daher notwendig, alternative Entsorgungsstrategien zu entwickeln und etablieren.

Verwertungsstrategien

Expandiertes Polystyrol (EPS) ist hierzulande nach wie vor der meistgenutzte Dämmstoff für die Fassade. Foto: © FSDE / BASFExpandiertes Polystyrol (EPS) ist hierzulande nach wie vor der meistgenutzte Dämmstoff für die Fassade. Foto: © FSDE / BASF

Schon heute findet eine werkstoffliche Verwertung von sortenreinen und HBCD-freien EPS-Abfällen statt. Dabei handelt es sich aber um Verschnittabfälle sowie saubere Verpackungsabfälle. Abfälle aus dem WDVS-Rückbau kommen für die werkstoffliche Verwertung aktuell noch nicht in Frage. Bei der Verwertung HBCD-haltiger Abfälle muss sichergestellt werden, dass das HBCD dem Kreislauf entzogen wird: Die thermische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen ist gemäß Basler Konvention neben der Sonderabfallverbrennung eines von mehreren zulässigen Verfahren, um HBCD zu zerstören.

Auch der Einsatz in Drehrohröfen in der Zementindustrie und die Abtrennung des HBCD aus dem EPS mittels Solvolyse sind rechtlich zulässig. Für den letztgenannten Weg soll demnächst in den Niederlanden unter dem Namen "Poly- StyreneLoop" eine Pilotanlage in Betrieb genommen werden, in der mittels Solvolyse 3.000 Tonnen EPS-Abfälle im Jahr verarbeitet und dabei Polystyrol sowie Brom zurückgewonnen werden. Erst kürzlich wurde die Initiative dafür mit dem Umweltpreis "Blue Tulip" ausgezeichnet.

Darüber hinaus untersucht die FH Münster im Rahmen eines Forschungsprojektes unter anderem die stofflichenergetische Verwertung von WDVS-Abfällen in Zementwerken. Hier liegt der Fokus nicht ausschließlich auf EPS, sondern auch auf der stofflichen Verwertung der weitgehend mineralischen Putze und Kleber.

Vorkonditionierung des WDVS-Abfalls ist erforderlich

Mit den stofflichen und energetischen Verwertungsverfahren sind jedoch spezifische Anforderungen an die Abfalleigenschaften verbunden, was eine Vorkonditionierung erforderlich macht. Der Prozessschritt der Zerkleinerung spielt in der mechanischen Aufbereitung eine zentrale Rolle. Durch die Zerkleinerung werden die Stoffströme für die nachfolgenden Prozesse vorbereitet sowie Wertstoffe freigelegt. Das Ziel der Zerkleinerung ist maßgeblich von den Anforderungen der nachfolgenden Prozesse sowie den geforderten Qualitäten abhängig.

Aus der Mineralaufbereitung lassen sich folgende Ziele ableiten und auf die WDVS-Aufbereitung anwenden:
- Aufschluss der vorliegenden Verbundkonstruktion bzw. Freilegung des Wertstoffs,
- Änderung der spezifischen Kornoberfläche,
- Veränderung der Korngrößenverteilung.

Durch den Einsatz unterschiedlicher Beanspruchungen sollen die verschiedenen Zerkleinerungseigenschaften der verarbeiteten Komponenten genutzt werden, um selektiv zu zerkleinern. Im Unterschied zur reinen Mineralaufbereitung, die sich überwiegend mit spröden Gesteinen beschäftigt, besteht ein WDVS aus verschiedenen Materialien mit unterschiedlichem Zerkleinerungsverhalten, so dass sich eine selektive Zerkleinerung anbietet.

Neben den mineralischen Komponenten wie z.B. Kleber oder Putz liegen mit dem Dämmstoff (EPS) und dem Armierungsgewebe (z.B. aus Glasfaserkunststoff) elastische bis zähelastische Komponenten vor. Die Komponenten sind stoffschlüssig mittels Kleber miteinander verbunden. Optional können sie formschlüssig zusätzlich mittels Dübel verbunden werden, was die Selektivität der Zerkleinerung erschwert.

Erfolgreiche Versuche mechanischer Aufbereitung

Um den zerkleinerten Abfall effektiv in verschiedene Fraktionen zu trennen, sind weitere Aufbereitungsschritte notwendig. Der Erfolg dieser weiteren Aufbereitung hängt maßgeblich von der vorgelagerten Zerkleinerung ab. Aufgrund der großen Dichteunterschiede zwischen EPS und den sonstigen WDVS-Komponenten lässt sich der EPS-Anteil abschließend mittels Dichtetrennung, z.B. durch Windsichtung, weiter aufkonzentrieren.

Versuche an der FH Münster und der RWTH Aachen zeigen, dass mit diesen mechanischen Aufbereitungsschritten weitgehend sortenreine Fraktionen aus einem WDVS-Abfall gewonnen werden können – ein weiterer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Die Autoren: Niklas Heller M.Sc.
wissenschaftlicher Mitarbeiter, FH Münster, IWARU – Institut für Infrastruktur · Wasser · Ressourcen · Umwelt, Münster/Deutschland
www.fh-muenster.de/iwaru

Martin Simons M.Sc.
wissenschaftlicher Mitarbeiter, RWTH Aachen, I.A.R. – Institut für Aufbereitung und Recycling, Aachen/Deutschland
www.iar.rwth-aachen.de

 

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