52. Rosenheimer Fenstertage: Der Wandel ist unausweichlich
Die Fensterwelt im Wandel – Unter diesem Motto informierten die 52. Rosenheimer Fenstertage über die immensen Herausforderungen, aber auch Chancen für die Fenster- und Fassadenbranche, die sich im Kontext von Klimawandel, Digitalisierung, steigenden Baukosten, EU-Harmonisierung und KI ergeben.
In seinem Auftaktvortrag zeigte Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler als Leiter des veranstaltenden Instituts für Fenstertechnik (ift Rosenheim) den rund 670 Teilnehmenden der Veranstaltung eindrücklich auf, wie vehement der Wandel in der Bauwirtschaft sein wird und machte deutlich, dass sich die veränderten ökologischen, demografischen, geopolitischen und technologischen Randbedingungen wechselseitig beeinflussen.
Heute schon strafe die Finanzbranche Finanzierungen von Immobilien ohne eine Bewertung der Nachhaltigkeit mit schlechteren Konditionen ab, erklärte Heusler, und die neue Bauproduktenverordnung werde die Nachhaltigkeit als zentrale Anforderung mit entsprechenden Nachweisen einführen. Dieser Aspekt müsse künftig bereits bei der Konstruktion berücksichtigt werden – ansonsten seien konkurrenzfähige Bauprodukte nicht mehr möglich.
Serielle und modulare Bauweisen würden die nachhaltige und digitale Transformation mittels Erfassung und Nutzung digitaler Daten sowie mit einer optimierten Automation am besten umsetzen, so die Einschätzung des Institutsleiters. Das Ergebnis seien eine bessere Qualität und höhere Produktivität. Hinzu komme, dass Bauprodukte "klimasicher" werden müssten.
Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler zeigte auf, wie umfassend der Wandel für die Baubranche sein wird und forderte die Fensterund Fassadenbauer auf, die Veränderungen als Evolution zu sehen und sich darauf einzustellen. Foto: © VössingHeusler gab Handlungsempfehlungen, wie die Transformation erfolgreich bewältigt werden kann und verwies dabei auf heutige strukturelle Ineffizienten und die künftige Bedeutung qualifizierter Daten. "Wer die Daten hat, kann daraus Geschäft generieren", prognostizierte er und betonte, dass die Systembauer immer mehr Aspekte in der Wertschöpfungskette auf sich konzentrieren. Das schaffe für Fensterbauer Abhängigkeiten, aber auch Entlastung. Seine Prognose: Fensterbauer müssen sich künftig entscheiden, ob sie mit günstigen, standardisierten Produkten (Basissegment) oder mit nach Bauherrenwünschen individualisierten Produkten (Premiumsegment) im Markt agieren wollen, denn die Mitte wird wegfallen. Die Branche müsse die Transformation im Sinne einer Evolution verstehen. Heusler abschließend: "Wir haben eine gute Zukunft, aber dafür müssen wir einfach das Richtige tun."
Roland Sitzberger (Porsche Consulting) bekräftigte, wie grundlegend sich die Wertschöpfungsketten im Bau ändern müssen, um mit einer höheren Produktivität weiterhin am Markt zu bestehen und konstatierte: "Es wird kein `weiter so` geben." Steigende Material- und Energiekosten, der Fachkräftemangel, die Wohnungsnot und der Investitionsrückstand werde die Baubranche zu den notwendigen Änderungen zwingen. Unternehmen müssen jetzt ihre Prozesse ändern und in digitale Lösungen investieren, um Effizienz und Produktivität zu steigern. Hierfür sollten mittelständische Unternehmen Partnerschaften entwickeln und nutzen.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Im Themenblock "Nachhaltigkeit und Resilienz" berichtete Norbert Sack (ift) vom laufenden F&E-Projekt, das für die Fenster- und Fassadenbranche Lösungen und Strategien auf dem notwendigen und politisch geforderten Weg zur Kreislaufwirtschaft entwickelt, und Prof. Dr. Martin Teich (Hochschule München) zeigte am Beispiel der Wieder- und Weiterverwendung von Flachglas aus Bestandsgebäuden auf, was sich ganz konkret hinter den Begriffen "ReUse, ReFurbish und ReManufacture" verbirgt.
Prof. Dr. Alexander Stolz vom Fraunhofer EMI (Universität Freiburg) ergänzte am Beispiel von Hochwasserschäden, wie sich über eine Software die Wirtschaftlichkeit von klimasicheren Bauprodukten ermitteln und besser darstellen lässt.
Digitalisierung
Auch im Themenblock "Digitalisierung in der Baubranche" wurde deutlich, dass Planer, Bauherren und Hersteller vor großen Herausforderungen stehen. Thomas Kirmayr (Fraunhofer-Allianz Bau) mahnte, nicht "wild" Daten zu sammeln, sondern die Entwicklung der notwendigen Datenstrukturen abzuwarten. Denn ohne klare Vorgaben für eine einheitliche Struktur werde der reibungslose Datenaustausch sowie die digitale Transformation nicht möglich sein.
Notwendig seien klare Vorgaben durch Normen und Gesetze, eine Standardisierung der Prozesse und eine zentrale Speicherung und Aktualisierung der Daten (z.B. Produkteigenschaften) statt vieler Kopien an unterschiedlichen Stellen sowie eine Qualifizierung aller Beteiligten. Künftig werde es nicht mehr um die Anwendung von Software gehen, sondern um Datenkompetenz, um das Know-how, welche Daten man hat und wie man sie einsetzen kann. Sein Rat: Betriebe sollten die digitalen Daten und Tools aktiv nutzen, um effizienter und nachhaltiger zu werden.
Digitaler Produktpass
Neben den nutzwertigen Inhalten der Fachvorträge bieten die Rosenheimer Fenstertage immer auch reichlich Gelegenheiten zum Netzwerken. Sie wurden auch in diesem Jahr wieder intensiv genutzt. Foto: © VössingIn ähnlicher Weise argumentierte Michael Breckl-Stock (ift Rosenheim), der einen ersten Ausblick auf den "Digitalen Produktpass" (DPP) eröffnete, der im Kapitel X der Bauproduktenverordnung beschrieben wird. Die produktbezogenen Kenndaten müssen in maschinenlesbarer, interoperabler Form aufbereitet werden – also mehr als eine PDF-Datei sein. Die geschätzten 300 Daten basieren auf der Leistungs- und Konformitätsklärung, Produktinformationen, Sicherheitshinweisen und technischen Dokumentationen (Wartung, Montage etc.) sowie auf relevanten Daten aus anderen EU-Verordnungen (z.B. der EU-Chemikalienverordnung "REACH").
Als Problem machte er aus, dass die digitalen Daten, die für den DPP benötigt werden, wohl bei den Unternehmen vorliegen, aber nicht immer maschinenlesbar sind. Bereits jetzt verfügbare DPP seien falsch und bezögen sich meist auf DPP nach den Vorgaben der bereits eingeführten Ökodesignverordnung, erklärte Breckl-Stock. Diese sei aber nicht für Bauprodukte gültig.
Bauproduktenverordnung
Der Themenblock "Bauproduktenverordnung und Markt" zeigte deutlich, dass auch die neuen Regeln (BauPVO), Normen, Gesetze und Förderpakete neue Anforderungen zur Nachhaltigkeit bringen werden. Prof. Jörn P. Lass (ift Rosenheim) stellte die wesentlichen Änderungen der neuen Bauproduktenverordnung (BauPVO) vor, die am 7. Januar 2025 in Kraft getreten ist und die Förderung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Bauwesen verbessern soll.
Neben den bisherigen sieben Anforderungen kommt die Nachhaltigkeit als achte hinzu. Kritische Änderungen ergeben sich auch bei der Konformitätsbewertung (AVCP-System 3), bei der die Leistungs- und Konformitätserklärung zusammengefasst und die Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus erfasst werden sollen. Das ift Rosenheim werde sich soweit möglich für die Beibehaltung bewährter Regelungen einsetzen, betonte Lass.
ift Praxis
Der Themenblock "ift Praxis" widmete sich den ganz praktischen Fragen. Felix Fischbacher (ift Rosenheim) ging detailliert auf häufige und kostspielige Fehlerquellen bei der Fenstermontage ein und erläuterte, wie sich diese durch eine professionelle Planung und Ausführung vermeiden lassen. Hierzu stellte er typische Mängel sowie die passenden Lösungen vor. Bernd Saß (ift Rosenheim) präsentierte die Ergebnisse eines aktuellen F&E-Projekts , die die schalltechnische Bewertung kritischer Einbausituationen von Fenstern erleichtern können.
Aus der Rechtspraxis
Den abschließenden Plenumsvortrag übernahm Prof. Christian Niemöller (SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft) mit einem kompetenten Update zu relevanten Rechtsfragen und Urteilen. Der erste Teil seines Vortrags befasste sich mit dem "Justizstandort-Stärkungsgesetz", dass am 1. April 2025 fast unbemerkt in Kraft getreten ist.
Ziel des Gesetzes ist eine schnelle und einfache Klärung wirtschaftsrechtlicher Streitigkeiten, und das sogar auf Englisch – interessant für internationale Projekte. Hierbei gebe es einige Tücken zu beachten, beispielsweise, dass der Gerichtsstand frei wählbar sei und die Durchführung des Prozesses in englischer Sprache als still vereinbart gelte, wenn der Beklagte sich in seiner Klageerwiderung "rügelos" auf die englische Sprache einlasse, warnte Niemöller.
Attraktives Rahmenprogramm
Nach den zweitägigen Rosenheimer Fenstertagen gab es erneut die Möglichkeit, einen Einblick in den laufenden Betrieb des ift-Technologiezentrums, des ift-Labors Bauakustik + Fassade und des Zentralbors in Rosenheim zu erhalten.
Mit diesem Angebot, dem Power-Workshop am Vortag der Fenstertage und den Informationen aus den Fachvorträgen waren auch die Rosenheimer Fenstertage 2025 für Hersteller, Systemgeber und Zulieferer wieder ein wichtiger Impulsgeber für die strategische Ausrichtung und die operative Optimierung ihrer Unternehmen. Ein wichtiger Ort zum Netzwerken, aber auch des Frohsinns war erneut der beliebte bayerische Festabend in der örtlichen Festhalle.
Weitere Informationen:Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: 52. Rosenheimer Fenstertage: Der Wandel ist unausweichlich
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