Der Klimawandel macht sich auch in Deutschland deutlich bemerkbar: Sommertage (+25 Grad) und heiße Tage (+30 Grad) haben deutlich zugenommen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) prognostiziert, dass diese Entwicklung sich fortsetzen wird.

Der Klimawandel macht sich auch in Deutschland deutlich bemerkbar: Sommertage (+25 Grad) und heiße Tage (+30 Grad) haben deutlich zugenommen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) prognostiziert, dass diese Entwicklung sich fortsetzen wird. (Foto: © DWD-Klimadatensätze)

Studie Sonnenschutz: Gebäude in Deutschland nicht fit für Sommer der Zukunft

Auch in Deutschland muss der Sonnenschutz bei Gebäuden stärker in den Fokus rücken, denn angesichts des Klimawandels wird es in Zukunft wohl nicht mehr ohne gehen.

Eine neue Studie, die das Ingenieurbüro Hauser (IBH) im Auftrag der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG) erstellt hat, zeigt Zukunfts-Szenarien auf.

Gebäude in Deutschland werden noch nicht ausreichend auf den voranschreitenden Klimawandel ausgerichtet – weder bei Sanierungen noch beim Neubau. Daher drohen sie im Sommer zunehmend zu überhitzen. Das besagt eine neue, im Auftrag der RTG erststellte Studie des Ingenieurbüros Hauser (IBH). Sie zeigt, dass verschiedene Sonnenschutzmaßnahmen ein wirksames Mittel gegen die Überhitzung sind und den Energieverbrauch für Klimatisierung minimieren bzw. in vielen Fällen ganz vermeiden können.

Der Klimawandel macht sich schon jetzt in Deutschland deutlich bemerkbar: Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes DWD stieg in mittleren Klimaregionen wie bspw. Potsdam das Thermometer zwischen 1961 und 1990 an im Schnitt 28 Tagen im Jahr über die 25- Grad-Marke. Bis 2007 waren es schon 40 Tage, in den kommenden Jahrzehnten werden es 58 bis 69 Tage werden. Auch die heißen Tage mit Temperaturen über 30 Grad werden deutlich zunehmen.

"Auf diese Entwicklung ist unser Gebäudebestand nicht vorbereitet. Viele Gebäude werden im Sommer zunehmend überhitzen", warnt der Bauphysiker Dr. Stephan Schlitzberger vom Ingenieurbüro Hauser (IBH). Er hat in der Studie "Hitzeschutz: Gebäude fit für den Klimawandel machen" simuliert, wie übliche Wohnräume auf die zukünftige Klimaerwärmung reagieren - und wie man eine Überhitzung wirkungsvoll auch ohne Klimatisierung verhindern kann.

"Da die Norm-Vorgaben für den Sonnenschutz noch auf Klimadaten von 1988 bis 2007 basieren, sind selbst heutige Neubauten oft nicht einmal fit für die gegenwärtigen Sommer, erst recht nicht für die Sommer der Zukunft", erläutert der Studien-Autor. "In Deutschland wird in punkto Hitzeschutz für das Klima der Vergangenheit gebaut. Für Sanierungen gibt es gar keine gesetzlichen Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz. Das müssen wir ändern."

Regelmässige Überschreitung der 30 °C-Marke im Wohnzimmer

Ein typisches Wohn- und Esszimmer mit großer Fensterfront nach Süden erfüllte in der Vergangenheit mit einem bestmöglichen innenliegenden Sonnenschutz gerade noch die Anforderungen. Damit blieb der Raum – von einzelnen Temperaturspitzen im Juli und August abgesehen – verträglich temperiert. Durch den Klimawandel wird der gleiche Raum in Zukunft in den Sommermonaten regelmäßig die 30 °C-Marke überschreiten.

Ein wirksamer außenliegender Sonnenschutz wie bspw. ein Rollladen oder eine Außenjalousie vermeiden diese Überhitzung nahezu vollständig. Besonders wirksam ist Sonnenschutz, wenn er automatisch aktiviert wird und so auch bei Abwesenheit nicht in Vergessenheit gerät, erklärt die RTG. Ergänzend verbessere auch eine konsequente Lüftung in der Nacht die Innentemperatur.

"Werden diese Möglichkeiten im Neubau und bei Sanierungen gut genutzt, funktionieren unsere Gebäude. Fenster- und Glasflächen können in den kühleren Monaten durch die Sonneneinstrahlung kostenfreie Wärme liefern, ohne im Sommer zu Überhitzung zu führen", erläutert Studien-Autor Schlitzberger.

Klimaanlagen treiben Energieverbrauch in die Höhe

Ein besonderes Problem liege darin, dass Gebäudenutzer nicht selten auf wirksamen Sonnenschutz verzichten, dafür aber immer häufiger Klimaanlagen nachrüsten, berichtet die RTG. Extrem hohe Energieverbräuche seien dann unvermeidbar. "Soll das oben beschriebene Wohnzimmer ohne Sonnenschutz oder andere Maßnahmen auf 22 Grad gekühlt werden, wird dafür pro Jahr bis zu fünfmal so viel Nutzenergie wie für das Heizen im Winter gebraucht", erklärt Dr. Schlitzberger.

Sonnenschutz kann auch in diesen Fällen den Energiebedarf laut der Studie mehr als halbieren. In den meisten Fällen kann er Klimaanlagen ohne Komforteinbußen überflüssig machen. In der Praxis sollten also sonnenbeschienene Glas- und Fensterflächen mit Sonnenschutz ausgestattet bzw. nachgerüstet werden.

Von Sonnenschutzgläsern über innen- und außenliegende Produkte bis hin zum vollautomatisch gesteuerten außenliegenden Sonnenschutz stehen zahlreiche Lösungen für alle baulichen Gegebenheiten zur Verfügung. Was im individuellen Fall richtig ist, sollte ein Fachmann ermitteln, rät die RTG.

Bauvorgaben: Sonnenschutz vor Klimaanlage

Sie vertritt in Berlin die Branchen Glas, Fenster, Fassade, Sonnenschutz und Automation und hat die Studie in Auftrag gegeben. Angesichts der Ergebnisse zieht sie einige Schlüsse für die Baupolitik. Thomas Drinkuth, Leiter der Repräsentanz, empfiehlt: "Zunächst muss die Politik erkennen, wie wichtig der Überhitzungsschutz im Sommer in Zukunft wird. Nicht nur für unsere Gesundheit – auch für die Energieversorgung und den Klimaschutz.

Der Energieverbrauch für Klimaanlagen könnte im schlimmsten Fall ein größeres Problem werden als der für die Heizung." Die Bundesregierung müsse daher für klare Vorgaben für einen wirksamen Sonnenschutz sorgen. Diese seien heute noch nicht gegeben. "Erstens sollte sich die Bundesregierung für eine zügige Überarbeitung der DIN-Norm stark machen. Dass wir noch heute, mitten im Klimawandel, Gebäude so planen, als sei ein Sonnenschutz wie in den 90er Jahren ausreichend, ist ein Unding.

Die Norm muss schnellstmöglich auf Klimadaten für die Zukunft umgestellt werden. Zweitens brauchen wir im Gebäudeenergiegesetz Klarheit, dass prioritär die Potenziale des Sonnenschutzes genutzt werden müssen, bevor eine Klimaanlage zum Einsatz kommt. Dafür brauchen wir drittens perspektivisch eine überarbeitete und an den Klimawandel angepasste Anforderungssystematik für den sommerlichen Hitzeschutz. Bisher wird bei der Planung die Überhitzung berechnet und begrenzt. In Zukunft muss es auch um vermiedene Kühlungsenergie gehen."

Die 105-seitige Studie "Hitzeschutz: Gebäude fit für den Klimawandel machen" kann auf der Website der RTG eingesehen werden.


Weitere Informationen (1): Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Sonnenschutz: Gebäude in Deutschland nicht fit für den Sommer der Zukunft


Weitere Informationen (2): www.transparente-gebaeudehuelle.de