Langwierige Genehmigungsprozesse, hohe bauliche Anforderungen und hohe Kosten bremsen die Bauwirtschaft in Deutschland.

Langwierige Genehmigungsprozesse, hohe bauliche Anforderungen und hohe Kosten bremsen die Bauwirtschaft in Deutschland. (Foto: © Vössing)

Günstiger bauen mit Gebäudetyp E?

Zu den zentralen Ursachen für die aktuell so schwache Bautätigkeit in Deutschland zählen die hohen Baukosten, bedingt auch durch die hochgesteckten baulichen Anforderungen.

Mit dem sogenannten Gebäudetyp E und mehr Freiheiten bei der Bauausführung will die Bundesregierung nun das Bauen hierzulande schneller, günstiger und nachhaltiger machen. Die Stimmen aus der Branche dazu sind geteilt.

Der Gebäudetyp E soll neue Freiheiten für das Planen und Bauen jenseits der bestehenden Normierung und Standardisierung schaffen. Aufgrund der spezifischen Anforderungen eines Bau- oder Sanierungsprojekts könne die Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik sinnvoll sein, um Kosten und Ressourcen zu sparen, so die Einschätzung. Mithilfe des Gebäudetyps E soll die Rechtssicherheit für individuelle Entscheidungen und projektspezifische Lösungen zwischen allen fachkundigen Baubeteiligten erhöht werden.

Hierzu hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen eine "Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E" veröffentlicht. In diesem Dokument wird der Umfang der Aufklärungspflichten zwischen fachkundigen Vertragsparteien erläutert und exemplarische Aufklärungsinhalte und Vertragsformulierungen für rechtssichere Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik bereitgestellt. Parallel wurde im Bundesministerium für Justiz der "Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus" (kurz: Gebäudetyp-E-Gesetz) vorgelegt.

Im Wesentlichen sieht der Entwurf Änderungen im Bauvertragsrecht vor, die die anerkannten Regeln der Technik dahingehend konkretisieren, dass Ausstattungsund Komfortstandards zukünftig davon ausgenommen bleiben sollen und dass eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr automatisch mit einem Sachmangel ohne Schaden gleichgesetzt wird. Gebäudehülle hat nachfolgend Reaktionen aus der Baubranche zum Vorhaben "Gebäudetyp E" zusammengetragen.

Bundesverband Proholzfenster e.V.

Der Bundesverband ProHolzfenster begrüßt die in der Leitlinie enthaltenen Hilfestellungen, die mehr Rechtssicherheit für mehr Wahlfreiheit versprechen. Entscheidungen für die Gestaltung, Materialien und Funktionalität einzelner Bauelemente sollten im Einklang mit den spezifischen Anforderungen des Gebäudes getroffen werden. Ein höheres Maß an Entscheidungsfreiheit für die beteiligten Fachgewerke würde zur schnellen und kostengünstigen Entwicklung von baulichen Lösungen beitragen, so die Einschätzung des Verbandes.

"Jeder Fensterbauer weiß um die Bedeutung von Sicherheitsstandards für die sichere und dauerhafte Funktionstauglichkeit stark beanspruchter Bauelemente wie dem Fenster. Dennoch gibt es häufig genug Situationen, in denen Richtlinien und Normen mehr Kosten als Nutzen bringen. Die geplanten Änderungen des Bauvertragsrechts können dabei helfen, projektspezifische Anforderungen wieder in den Mittelpunkt der Planungs- und Baupraxis zu rücken", so Eduard Appelhans, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Pro- Holzfenster.

Die Erfahrungen aus dem Holzfensterbau zeigten, dass eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik die Innovativität, Ästhetik und Qualität von Bauvorhaben steigern könne. Durch die Berücksichtigung projektspezifischer Anforderungen – ein fester Bestandteil des Prinzips des Einfachen Bauens – ließen sich Kosten und Ressourcen einsparen. Eine Ausweitung der Spielräume für bedarfsgerechtes Planen und Bauen berge das Potenzial, die Effizienz und Qualität der handwerklichen Baupraxis zu steigern.

TGA-Repräsentanz Berlin

Anlässlich der Diskussion zur Einführung des neuen Gebäudetyps E und den damit verbundenen rechtlichen Fragen haben die TGA-Repräsentanz Berlin und die sie tragenden Verbände (Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e. V. / BTGA, Fachverband Gebäude-Klima e. V. / FGK, Herstellerverband Raumlufttechnische Geräte e. V. / RLT-Herstellerverband, und VDMA e. V. – Fachverband Allgemeine Lufttechnik / VDMA ALT) ihre Positionen dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen übermittelt.

Dazu sagt Frank Ernst, Geschäftsführer der TGA-Repräsentanz Berlin: "Aktuell wird zwischen dem Bundesbau- und dem Bundesjustizministerium abgestimmt, wie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geändert werden kann, um im Vertragsrecht einen so genannten Gebäudetyp E zu ermöglichen, wobei der Buchstabe E für ‚einfach‘ steht. Dieser Gebäudetyp soll dazu beitragen, dass schnell bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.

Die Diskussionen der vergangenen Monate haben jedoch gezeigt, dass mit ‚einfach‘ oft der Verzicht auf wichtige Technik gemeint ist. Neubauten werden heute so errichtet, dass Bewohner vor Lärm geschützt sind und der Energieverbrauch gesenkt wird. Solche dichten Gebäude erfordern technische Lösungen – um die Menschen in den Räumen mit frischer und gesunder Luft zu versorgen und um Schimmelbildung durch unzureichende Lüftung zu vermeiden.

Höchste Standards in den Bereichen Sicherheit und Gesundheitsschutz sind in allen Gebäuden unverzichtbar. Technische Systeme sind deshalb auch in Gebäuden des Typs E notwendig, um eine dauerhafte Nutzung zu ermöglichen. Eine Beschränkung auf eine dichte Hülle allein wird nicht zur Akzeptanz dieses Gebäudetyps beitragen und dessen Nutzung sowie die Innenraumqualität erheblich einschränken.

Wenn später aufgrund von Mängeln, Problemen und Beschwerden ein technisches System nachgerüstet werden muss, ist das besonders aufwändig und kostspielig. Das serielle Bauen und Sanieren ist eine zukunftsweisende und besser geeignete Methode."

Baurechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Koenen

Die Baubranche diskutiert aktuell intensiv, wie eine Baurechtsreform zum Gebäudetyp E aussehen müsste, die ihr Ziel trifft: Baukosten senken, Wohnqualität halten. Im Rahmen der öffentlich geführten Debatte spielen Gutachten eine Rolle, die DIN-Normen als allgemeine Regel der Technik (aRdT) und damit als Mindeststandards für Bauvorhaben einstufen. Das DIN – Deutsche Institut für Normung e.V. betont hierbei allerdings, dass die von ihm veröffentlichten Normen lediglich Empfehlungen seien.

Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch die volle Wirkung dieser Empfehlungen, und zwar in öffentlich-rechtlicher wie in zivilrechtlicher Hinsicht. So sollte 2018 zum Beispiel die Einführung der DIN 18040 als Technische Baubestimmung zum Barrierefreien Bauen in Nordrhein-Westfalen Klarheit und Transparenz für alle am Bau Beteiligten bringen. Eine Verwaltungsvorschrift, begründet auf der Norm eines Instituts, das die freiwillige Anwendbarkeit betont?

Umgesetzte oder nicht umgesetzte DINNormen als aRdT sind regelmäßig Gegenstand in Bauprozessen, die sich mit Mängeln und Haftungsfragen beschäftigen. Fragen, deren Antworten vor Gericht Sachverständigen überlassen bleiben. Ihre Einschätzungen, nicht die der Richter:innen, verhelfen den DIN-Normen über den Umweg aRdT und den Begriff "Feststellung" zur Verbindlichkeit. Theoretisch könnten Sachverständige diesen Weg verlassen und zu DIN-losgelösten Einschätzungen der bautechnischen Lage kommen. In der Praxis findet das jedoch nicht statt. Regelmäßig zitieren Sachverständige sogar diese DIN-Normen, ohne diese beizufügen. Der Grund ist so einfach wie überraschend: Die veröffentlichten Normen sind urheberrechtlich geschützt und die Nutzung damit kostenpflichtig.

In der Diskussion zur Baurechtsreform spricht die Branche auch von der Einführung des "Gebäudebauvertrags zwischen fachkundigen Unternehmern" (§ 650o BGB-E). Diese Regelung soll Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik ermöglichen, jedenfalls solange die Sicherheit gewährleistet bleibt. Besagte Unternehmen entscheiden dann im Rahmen eines Bauvertrags, auf welche Standards, auf welche DIN-Normen sie verzichten wollen. Doch woher sollen sie wissen, wovon sie abrücken, wenn sie die Normen nicht kostenfrei einsehen können?

Kurzum: Sie sollen aufgeben, was sie nicht kennen. Sinnstiftend wäre es, wenn fachkundige Unternehmen Verträge über die Erstellung von Gebäuden abschließen, in denen deutlich erkennbar ist, welche technischen Standards berücksichtigt werden und welche nicht. Das setzt allerdings die Offenlegung aller relevanten DIN-Normen voraus. Das wiederum bedeutet zusätzliche Kosten, die die erhofften Einsparungen am Bau wieder zunichtemachen.

Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB)

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB) erklärt zum Vorhaben der Ampel-Regierung:

"Als Deutsches Baugewerbe unterstützen wir das Bestreben der Bundesregierung, Baukosten zu senken, um so den kriselnden Wohnungsbau anzukurbeln. Zu lange haben wir uns in Deutschland an Goldstandards bei technischen Bauvorgaben gewöhnt, wodurch Bauvorhaben immer anspruchsvoller und damit kostenintensiver geworden sind. Der Gesetzentwurf kann ein Weg sein, den Menschen in Deutschland die Freiheit zu geben, das zu bauen, was sie wollen und brauchen – und was sie auch bezahlen können.

Es muss wieder möglich sein, dass (Sicherheit-)technisch Notwendige zu bauen und nicht immer nur das technisch Machbare. Wir meinen, dass dies am besten erreicht werden kann, wenn die Länder den Gebäudetyp E durch entsprechende Vorgaben in ihren Landesbauordnungen unterstützen.

Wir begrüßen die Initiative von Bundesminister Buschmann und fordern die Länder auf, umgehend aktiv zu werden. Damit der Gebäudetyp E in der Praxis auch funktioniert, müssen die von den anerkannten Regeln der Technik abweichenden Vereinbarungen zwingend im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und vereinfacht werden."


Weitere Informationen: Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Günstiger bauen mit Gebäudetyp E?