Die Bauwirtschaft befindet sich aktuell in einer schweren Krise. Mit einem Paket mit 14 Maßnahmen will die Bundesregierung das Ruder rumreißen. Ob das gelingt, wird von Branchenvertretern bezweifelt. Neben positiven Aspekten griffen die Maßnahmen zu kurz, so Kritiker.

Die Bauwirtschaft befindet sich aktuell in einer schweren Krise. Mit einem Paket mit 14 Maßnahmen will die Bundesregierung das Ruder rumreißen. Ob das gelingt, wird von Branchenvertretern bezweifelt. Neben positiven Aspekten griffen die Maßnahmen zu kurz, so Kritiker. (Foto: © Vössing)

Baupaket der Bundesregierung: "Ein Scheinriese"

Fenster+Glas - Aktuell

September 2023

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 25. September beim Wohnungsgipfel ein Paket aus 14 Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Krise vorgestellt. Die Baubranche bleibt kritisch und hofft auf eine schnelle Umsetzung.

"Das Paket ist ein Scheinriese, mit dem man nicht ans Ziel kommen wird – weder beim Wohnungsneubau noch bei der Sanierung", kommentiert Thomas Drinkuth, Leiter der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG). Für das Hauptstadtbüro der Bauindustrie-Branchen Glas, Fenster, Sonnenschutz und Automation springt die Bundesregierung bei den Maßnahmen zu kurz und macht in der Ausgestaltung entscheidende Fehler.

"Auf den ersten Blick wird zwar einiges auf den Weg gebracht. Aber schnell merkt man: Sowohl für den Wohnungsneubau als auch für Sanierungen fehlen die nötige Durchschlagskraft und das Tempo, um das Ruder herum zu reißen", so Drinkuth weiter.

Die neue AfA, die Verbesserung der Neubauförderung für Ein- und Zweifamilienhäuser und das Anheben der Sanierungsförderung auf 30 Prozent seien grundsätzlich zu begrüßen – in der aktuellen Krise jedoch immer noch zu halbherzig. Es mangele an politischer Entschlossenheit:

Programm nicht ausreichend

"30 Prozent Sanierungszuschuss sind die Größenordnung, die man – analog zur Förderung von Wärmepumpen – eigentlich dauerhaft braucht. In der Krise ist das immer noch zu wenig und führt bei gerade mal zwei Jahren Laufzeit – wenn überhaupt – zu einem Strohfeuer. Der geplante Rückschritt auf 15 Prozent ab 2026 kommt viel zu früh und hart", kritisiert Drinkuth.

Beim Bauen und Sanieren gehe es um verlässliche und planbare Bedingungen – nicht um ein kurzfristiges Feuerwerk. Weiterhin müsse die AfA auch Sanierungen mehr Schub geben. Ein steuerliches Förderinstrument für Sanierungen im Bereich der Wohnungswirtschaft fehle noch.

Entscheidender Fehler

Thomas Drinkuth leitet die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle in Berlin. Das neue 14-Punkte-Maßnahmen-Paket der Bundesregierung reicht seiner Auffassung nach nicht, um die Probleme der Bauwirtschaft langfristig zu lösen. Foto: © DrinkuthThomas Drinkuth leitet die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle in Berlin. Das neue 14-Punkte-Maßnahmen-Paket der Bundesregierung reicht seiner Auffassung nach nicht, um die Probleme der Bauwirtschaft langfristig zu lösen. Foto: © Drinkuth

Zudem bewertet die Branchenvertretung die Absage an die derzeit in der EU diskutierten energetischen Mindestanforderungen für bestehende Wohngebäude als entscheidenden Fehler: "Vor einem Jahr hat die Bundesregierung diese Anforderungen, die es ähnlich in vielen anderen EU-Ländern bereits gibt, noch unterstützt – zu Recht.

Jetzt bekommt sie kalte Füße und räumt mit dem Maßnahmenpaket alle Vorgaben für Wohngebäude ab. Zusammen mit der viel zu schwachen Fördererhöhung bedeutet das: Bei Sanierungen wird es nicht vorangehen."

Die in dem Paket angekündigten Bauvereinfachungen müssten zunächst entwickelt werden, bevor man sie beurteilen könne. Drinkuth: "Die Neubauanforderungen jetzt nicht weiter zu verschärfen, ist sicher richtig. Auch eine Sonderregelung für vereinfachten Wohnungsbau oder eine Bundes-Leitlinie für einen sogenannten "Gebäudetyp E" klingen zunächst interessant. Beides darf jedoch nicht dazu führen, dass energetisch schlechter als zuvor gebaut wird. Das wäre sowohl für den Klimaschutz als auch für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung der falsche Weg."

Weitere Verbesserungen gefordert

Die Bau-Repräsentanz fordert von der Bundesregierung weitere Verbesserungen für den Neubau und eine konsequente Politik des Förderns und Forderns für energetische Sanierungen. "Beim Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern sitzt der Schock über die hohen Zinsen so tief, dass ein paar moderate Verbesserungen der bestehenden Förderung nicht ausreichen werden.

Alle Bauherren brauchen bezahlbare Kredite. Für den Mehrfamilienhaus-Neubau ist die neue AfA gut, reicht aber bei Weitem nicht für bezahlbare Mieten. Und bei der Sanierung brauchen wir eine Kombination aus einer dauerhaft guten Förderung und Mut zu einem Ordnungsrecht, das für die schlechtesten Gebäude echte Sanierungsanlässe schafft. Die Bundesregierung ist gut beraten, sehr bald nachzulegen.

Und nicht zu vergessen: Die entscheidenden Anreizinstrumente müssen nach der Ankündigung sehr schnell realisiert werden. Wird eine bessere Förderung angekündigt, warten Investoren so lange ab, bis sie diese auch bekommen können. Weitere Hängepartien darf es im Markt aber nicht geben", fordert Drinkuth.

ZDB fordert schnelle Umsetzung

Wolfgang Schubert-Raab, Vizepräsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe, kommentiert den Wohnungsgipfel mit dem Bundeskanzler wie folgt: "Auf diesem Kanzlergipfel ist ganz deutlich geworden, dass die Regierung den Druck der Unternehmerinnen und Unternehmer verstanden hat, die Arbeitskräfte während der Krise zu halten. Die geplanten Maßnahmen für zusätzliche Investitionen gehen in die richtige Richtung, reichen aber noch nicht aus. Entscheidend ist jetzt, dass die Umsetzung zügig erfolgt.

Der Druck auf die Beschäftigung ist enorm. Bund und Länder, deren Kooperation insbesondere bei der Grunderwerbssteuer und im sozialen Wohnungsbau gefragt ist, müssen jetzt den Turbo für den Wohnungsbau auch zünden. Langwierige Diskussionen können wir uns nicht mehr leisten; sie kosten Arbeitsplätze. Wir schlagen daher ein weiteres Treffen mit Bund und Ländern bereits im Dezember vor. Bis zum Ende des Jahres müssen Taten folgen.

Unklarheiten beseitigen

Bis dahin müssen auch die Unklarheiten im Maßnahmenpapier beseitigt sein. Wie sieht zum Beispiel die Detailplanung zum Programm Klimafreundlicher Neubau aus? Bis die Maßnahmen eindeutig definiert sind und wirken, benötigen wir zur Beschäftigungssicherung ein Kurzarbeitergeld mit vereinfachten Zugangsvoraussetzung und eine zumindest teilweise Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Diese Regelung sollte sich unmittelbar an die sogenannte "Schlechtwetterzeit" im März 2024 anschließen.

Mit Blick auf die Einzelmaßnahmen des Regierungspapiers ist für uns besonders wichtig, dass die Bundesregierung auf die Festlegung des EH-40 Standards als gesetzlichen Mindeststandard in dieser Legislaturperiode verzichtet. Wir hatten dies als erster Verband gefordert, um der eingebrochenen Wohnungsbaunachfrage einen Schub zu geben. Entscheidend ist dabei, dass der EH 55-Standard auch gefördert wird, damit die Nachfrage in Gang kommt. Jedes gebaute EH 55-Haus ist angesichts des Wohnraummangels besser als kein EH 40-Haus.

Stärkere Förderung

Eine richtige Entscheidung ist auch, den Erwerb von Wohneigentum für Familien stärker zu fördern und die Einkommensgrenzen auf 90.000 Euro im Jahr heraufzusetzen. Wir hatten diese Erhöhung gefordert und gehen davon aus, dass nun weit mehr Familien sich den Traum vom Eigenheim wieder erfüllen können. Die Erhöhung der Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro reicht allerdings nicht aus. Hier hätte es zu der von uns geforderten Verdoppelung kommen müssen.

Angekündigt wurde, das Programm Klimafreundlicher Neubau ebenfalls attraktiver zu gestalten. Details hierzu sind leider noch nicht bekannt. Das Programm "Jung kauft alt", mit dem die Regierung den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden fördern will, begrüßen wir ebenfalls. Entscheidend für den Erfolg des Programms ist allerdings die Höhe der Förderung, die noch unbekannt ist. Die Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer müssen endlich kommen."


Weitere Informationen: www.transparente-gebaeudehuelle.de
www.zdb.de