Eine punktuelle Unterschreitung der vertraglich geschuldeten Stärke der Lüftungsebene einer Fassade kann ebenso wie nicht rechtwinklig eingebrachte Befestigungsanker der Wärmedämmung, trotz voller Funktionstüchtigkeit der Fassade, zu einem Rechsstreit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mit ungewissem Ausgang führen.

Eine punktuelle Unterschreitung der vertraglich geschuldeten Stärke der Lüftungsebene einer Fassade kann ebenso wie nicht rechtwinklig eingebrachte Befestigungsanker der Wärmedämmung, trotz voller Funktionstüchtigkeit der Fassade, zu einem Rechsstreit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mit ungewissem Ausgang führen. (Foto: © Vössing)

Fassaden: Mangel trotz voller Funktionstüchtigkeit?

Bei der Errichtung von Fassaden ist deren Funktionstüchtigkeit von hoher Relevanz, aber nicht allein entscheidend für die Abnahme.

Auch wenn eine Konstruktion alle geforderten funktionalen Eigenschaften aufweist, kann der Auftraggeber die Abnahme verweigern, einen Mangel anmelden und die Beseitigung fordern - z.B. bei einer funktional nicht ins Gewicht fallenden punktuellen Abweichung von der vertraglich geschuldeten Stärke einer Lüftungsebene. Doch wie entscheiden die Gerichte?

Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber eine Bauleistung abzuliefern, die frei von Sach- und Rechtsmängeln ist (§ 633 BGB). Ist die vom Auftragnehmer ausgeführte Bauleistung mangelhaft, stehen dem Auftraggeber Mängelrechte, wie insbesondere der Nacherfüllungsanspruch, aber auch die Möglichkeit der Selbstvornahme (Auftraggeber beseitigt den Mangel selbst und verlangt hierfür vom Auftragnehmer Kostenersatz), die Möglichkeiten des Rücktritts und der Minderung sowie gegebenenfalls Schadensersatz- bzw. Aufwendungsersatzansprüche (§ 634 BGB) zu.

Lediglich ausnahmsweise kann der Auftragnehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (§ 635 BGB). Wird von der Auftraggeberseite ein Mangelvorwurf erhoben, enden derartige Streitigkeiten nicht selten bei Gericht.

Das Oberlandesgericht Koblenz (und später auch der Bundesgerichtshof) hatte sich in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung mit einer Fassade zu beschäftigen, bei der der Auftraggeber eine Mängelbeseitigung beansprucht und die Abnahme verweigert hat, obwohl die Fassade trotz festgestellter Mängel funktionstauglich war.

Aktueller Fall

Der Auftraggeber hatte den Auftragnehmer im Rahmen eines BGB-Bauvertrages mit der Erstellung einer Klinkerfassade beauftragt. Nach Errichtung der Fassade forderte der Auftragnehmer den Auftraggeber zur Abnahme auf. Der Auftraggeber verweigerte diese jedoch ausdrücklich. Im Rahmen des in Folge geführten Rechtsstreits nahm der Auftragnehmer den Auftraggeber auf Zahlung von Werklohn in Höhe von mehr als 62.000 Euro gerichtlich in Anspruch.

Zwischen den Parteien wurde maßgeblich über die Frage gestritten, ob die Klinkerfassade mangelfrei und damit abnahmefähig errichtet worden ist. Während der Auftragnehmer von einer vertragsgerechten Leistungserbringung ausging, trat der Auftraggeber dem Vergütungsanspruch mit Mängeln entgegen. Vor allem beanstandete er, dass die Wärmedämmung nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei.

Insbesondere die vertraglich geschuldete Hinterlüftung von 40 mm sei nicht durchgängig vorhanden. Zudem sei der Fugenmörtel nicht glatt abgestrichen worden, was die vorhandene Luftschicht weiter verringere. Darüber hinaus sei bei der Befestigung der Wärmedämmplatten nicht die erforderliche Anzahl an Befestigungsankern verwendet worden, und die vorhandenen seien teilweise schräg eingebracht worden. Nach der Begutachtung durch einen Gerichtssachverständigen kam das angerufene Landgericht zu dem Ergebnis, dass keine wesentlichen Mängel an der Werkleistung des Auftragnehmers vorhanden sind. Es sei kein technischer Mangel darin zu sehen, wenn teilweise der für die Hinterlüftung vorgesehene Luftspalt nicht durchgehend 40 mm, wie im Leistungsverzeichnis genannt, betrage.

Es gebe im Übrigen keine Anknüpfungspunkte dafür, anzunehmen, dass bei der vorhandenen Dämmung aus technischer Sicht eine funktionelle Beeinträchtigung zu befürchten sei. Die Dämmung des Gebäudes sei auch aus technischer Sicht nicht zu beanstanden. Das Landgericht verurteilte den Auftraggeber zur Zahlung des Restwerklohns. Dieser trat dem Urteil mit der Berufung entgegen (OLG Koblenz, Urteil vom 24.06.2021, Az: 2 U 391/19; BGH, Beschluss vom 10.08.2022, Az: VII ZR 632/21).

Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz

Der Auftraggeber scheiterte jedoch mit seiner Berufung. Das Oberlandesgericht Koblenz stellt fest, dass das Landgericht den Auftraggeber zu Recht zur Zahlung verurteilt habe. Das Gericht urteilt, dass der Auftragnehmer seine Leistungen im Zusammenhang mit der Klinkerfassade vertragsgemäß erbracht hat und dass keine, einer Abnahmeverpflichtung entgegenstehenden Mängel vorliegen. Die Wärmedämmung sei mangelfrei errichtet worden. Es lägen aus Sicht des Oberlandesgerichts keine Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik vor, die die volle Funktionsfähigkeit der Klinkermauerschale in bauphysikalischer Hinsicht beeinträchtigen.

Daneben liege auch kein Mangel im Hinblick auf die Befestigung der Wärmedämmung vor. Es könne aus Sicht des Oberlandesgerichts im Ergebnis dahinstehen, welche Anzahl von Ankern für eine ordnungsgemäße Befestigung der Wärmedämmung erforderlich sind und ob und in welchem Umfang die Anker möglicherweise nicht waagerecht, sondern schräg eingebaut sind. Es komme entscheidend darauf an, ob das Werk – wie vorliegend – funktionsfähig ist.

Des Weiteren arbeitet das Oberlandesgericht Koblenz Folgendes heraus: Auch wenn die Leistung des Auftragnehmers nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, kann der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Eine Unverhältnismäßigkeit sei in der Regel nur dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer vollständig mangelfreien Leistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenüberstehe.

Sei die Leistung uneingeschränkt funktionstauglich und würde die Mängelbeseitigung einen vollständigen Abriss und eine Neuerrichtung erfordern, bestehe aus Sicht des Oberlandesgerichts regelmäßig kein nachvollziehbares Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung. (OLG Koblenz, Urteil vom 24.06.2021, Az: 2 U 391/19; BGH, Beschluss vom 10.08.2022, Az: VII ZR 632/21).

Mangel schon bei geringsten Abweichungen

Ein Mangel der Bauleistung liegt grundsätzlich immer dann vor, wenn die sogenannte Ist-Beschaffenheit des Werks (Zustand der Bauleistung vor Ort) vom Leistungssoll (Qualität der Bauleistung nach dem geschlossenen Vertrag sowie etwaigen nachträglichen Vereinbarungen) abweicht.

In einer Vielzahl von Entscheidungen kommen Gerichte schon bei geringsten Abweichungen der Ist-Beschaffenheit zum Leistungssoll zur Annahme eines Baumangels, der dann vertragliche und/oder gesetzliche Mangelansprüche auslöst und einem Abnahmebegehren entgegensteht. Wird der Mangelvorwurf des Auftraggebers bejaht, ist der Auftragnehmer – auch im Fassadenbau – grundsätzlich und in der Regel insbesondere zur Nacherfüllung bzw. Mangelbeseitigung verpflichtet.

Dies kann dann durchaus mit erheblichen Kosten verbunden sein und den wirtschaftlichen Erfolg des Auftragnehmers schmälern. Lediglich in Ausnahmefällen hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, was im Übrigen jedenfalls zur Verringerung seines Werklohns führt.

Gleichwohl ist das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz ein Fingerzeig in Richtung der Auftraggeber, die vor der Abnahme oder nach Vorlage der Schlussrechnung die erbrachte Bauleistung teilweise mit sachverständiger Hilfe "durchleuchten", um auch kleinste Mangelpunkte zu identifizieren, die dann zur Grundlage von Verhandlungen über die Höhe der zu zahlenden Vergütung gemacht oder als Grund für eine Abnahmeverweigerung genommen werden.

Von Jörg Teller
Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.


Weitere Informationen: Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Fassade: Mangel trotz voller Funktionstüchtigkeit?

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