Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona- Pandemie haben auch für die Unternehmen der Bauwirtschaft weitreichende Folgen. Auftragnehmer sollten im Falle von Quarantäne-Auflagen oder anderer Coronavirus-bedingter Einschränkungen für die Arbeitsausführung prüfen, ob vorsorglich Behinderung anzuzeigen ist.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona- Pandemie haben auch für die Unternehmen der Bauwirtschaft weitreichende Folgen. Auftragnehmer sollten im Falle von Quarantäne-Auflagen oder anderer Coronavirus-bedingter Einschränkungen für die Arbeitsausführung prüfen, ob vorsorglich Behinderung anzuzeigen ist. (Foto: © Vössing)

Coronavirus-Pandemie setzt VOB/B und BGB nicht außer Kraft

Die Ausbreitung des Coronavirus hat seit Januar 2020 in kürzester Zeit zu massiven Beeinträchtigungen, auch des wirtschaftlichen Miteinanders, geführt. Dies wirkt sich auch auf die Abwicklung von Bauverträgen aus.

Mancher Bauauftraggeber ignoriert die im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung des Virus von den Behörden erlassenen Maßnahmen und fordert den Auftragnehmer zur termin-/fristengerechten Leistungserbringung auf. Andere Auftraggeber nehmen die aktuelle Situation zum Anlass, unter Hinweis auf die Corona-Krise vertraglich nicht vorgesehene Risikoeinbehalte in beachtlicher Höhe zu bilden und/oder Rechnungen zögerlich oder gar nicht auszugleichen.

Nachstehend sollen einige Fallkonstellationen unter baurechtlichen Gesichtspunkten beleuchtet werden, die die Auftragnehmer von VOB-Bauverträgen aktuell beschäftigen.

Gibt es Empfehlungen, denen die Auftragnehmerseite entnehmen kann, wie im Rahmen der Corona-Krise bei der Abwicklung von Bauträgen konkret vorzugehen ist?
Im Rahmen der Entscheidung dazu, wie der Auftragnehmer verfahren sollte, wenn seine Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt werden oder wenn seine Rechnungen ganz oder teilweise nicht beglichen werden, sind in jedem Einzelfall einerseits die vertraglichen Grundlagen auszuwerten; andererseits ist die konkrete Situation vor Ort zu berücksichtigen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Ausbreitung des Coronavirus jedenfalls nicht dazu führt, dass die Regularien der VOB/B oder des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht mehr gelten.

Sind im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus stehende Beeinträchtigungen des Bauablaufs als „höhere Gewalt“ im Sinne des § 6 Abs. 2 VOB/B anzusehen?
Eine belastbare Rechtsprechung betreffend die Ausbreitung des und den Umgang mit dem Coronavirus gibt es aktuell (Stand: Mitte April 2020) nicht. Derzeit spricht jedoch vieles dafür, dass die Gerichte behördliche Quarantäneanordnungen z.B. gegenüber einem Bauauftragnehmer später als „ höhere Gewalt“ oder andere für den Auftragnehmer „unabwendbare Umstände“ im Sinne des § 6 VOB/B bewerten werden. Im Rahmen Coronavirus-Pandemie setzt VOB/B und BGB nicht außer Kraft Die Ausbreitung des Coronavirus hat in Deutschland – und in anderen Ländern der Welt – seit Januar 2020 in kürzester Zeit zu massiven Beeinträchtigungen, auch des wirtschaftlichen Miteinanders geführt. Dies wirkt sich unter anderem auf die Abwicklung von Bauverträgen aus. des Erlasses des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 23. März 2020 wird klargestellt, dass die Corona-Pandemie grundsätzlich geeignet ist, den Tatbestand der „höheren Gewalt“ im Sinne von § 6 Abs. 2 VOB/B auszulösen.

Welche baurechtliche Vorschrift ist besonders zu beachten, wenn die Mitarbeiter des Auftragnehmers z.B. im Rahmen der Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne gestellt werden?
Werden die Mitarbeiter des Auftragnehmers durch behördliche Anordnung unter Quarantäne gestellt und ihnen ein Arbeitsverbot auferlegt, spricht vieles dafür, dass dies später als „höhere Gewalt“ bewertet wird. Der Auftragnehmer sollte gegenüber dem Auftraggeber Behinderung gem. § 6 Abs. 1 VOB/B anzeigen, um seine Rechte zu wahren. Folge einer Behinderungsanzeige ist insbesondere die Verlängerung von Ausführungsfristen (§ 6 Abs. 2 VOB/B).

Und wie verhält es sich, wenn der Zugang zur Baustelle nicht möglich ist, weil diese in einem Quarantäne-Gebiet liegt?
Es spricht einiges dafür, dass dies dem Risikobereich des Auftraggebers zuzuordnen ist. Auch hier sollte der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber vorsorglich Behinderung gem. § 6 Abs. 1 VOB/B anzeigen.

Der Auftraggeber bildet bei der Prüfung von Abschlags- oder Schlussrechnungen einen vertraglich nicht vorgesehenen „Corona-Risikoeinbehalt“ oder weist darauf hin, dass er die Rechnung des Auftragnehmers erst nach der Corona-Krise bezahlen wird.
Zunächst hat der Auftragnehmer zu beachten, dass sich gerade in Bauverträgen Zahlungsregelungen finden können, die nicht unerheblich von den Maßgaben im BGB oder in der VOB/B abweichen. Grundsätzlich gilt, dass das BGB Regelungen zum Zahlungsverzug enthält (§§ 286 ff. BGB). Leistet der Auftraggeber auf eine Mahnung des Auftragnehmers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, kommt er – der Auftraggeber – durch die Mahnung des Auftragnehmers in Verzug. Der Auftragnehmer sollte das Versenden von Mahnschreiben in der Corona- Krise mithin – aus rechtlicher Sicht – nicht aussetzen. Der Schuldner einer Entgeltforderung (z.B. Auftraggeber), kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung bezahlt (§ 286 Abs. 3 BGB). Geldschulden sind während des Zahlungsverzugs zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB); befindet sich der Auftraggeber also im Zahlungsverzug, laufen entsprechende Verzugszinsen auf. Verbrauchern und Kleinstunternehmern als Vertragspartnern kann jedoch nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID- 19-Pandemie“ vom 27.03.2020 ein Zahlungsaufschub zugute kommen.

Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

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