Stellt ein Auftragnehmer, beispielsweise bei Sanierungsarbeiten, einen Mangel am Vorgewerk fest, der Einfluss auf die fachgerechte Ausführung seiner eigenen Arbeit hat, ist es zwingend erforderlich, vor Beginn der Arbeiten dem Auftraggeber eine rechtssichere Bedenkenmitteilung zukommen zu lassen.

Stellt ein Auftragnehmer, beispielsweise bei Sanierungsarbeiten, einen Mangel am Vorgewerk fest, der Einfluss auf die fachgerechte Ausführung seiner eigenen Arbeit hat, ist es zwingend erforderlich, vor Beginn der Arbeiten dem Auftraggeber eine rechtssichere Bedenkenmitteilung zukommen zu lassen. (Foto: © Vössing)

Ohne Bedenkenmitteilung: Haftung für fremde Mängel?

Auftragnehmer, die trotz eines erkennbaren Mangels am Vorgewerk Folge-Arbeiten ohne eine Bedenkenmitteilung gemäss § 4 Abs. 3 VOB/B an den Auftraggeber ausführen, haften unter Umständen auch für die Mängel am Vorgewerk.

Auch die Errichtung von Fassadenkonstruktionen ist davon geprägt, dass eine Vielzahl verschiedener Unternehmer mit unterschiedlichsten Bauleistungen befasst werden, die nebeneinander, aber auch nacheinander auszuführen sind. Oftmals sind die einzelnen Bauleistungen derart miteinander verzahnt, dass die ordnungsgemäße Ausführung des Vorgewerks eine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Leistungserbringung durch das nachfolgende Gewerk darstellt.

Das jeweils beauftragte Unternehmen ist naturgemäß darauf bedacht, eine vertragsgerechte und insbesondere mangelfreie eigene Leistung zu erbringen. Problematisch wird es, wenn die eigene Leistung ordnungsgemäß erbracht wurde, die vom Vorgewerk bzw. vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Vorleistung eines anderen Unternehmers aber mangelhaft ist. Die Gerichte kommen bei derartigen Fallgestaltungen zu Entscheidungen, die zwar rechtlich belastbar sind, von vielen betroffenen Baupraktikern aber als ungerecht empfunden werden. Mit einer derartigen Fallgestaltung hat sich das Oberlandesgericht Hamm in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung beschäftigt.

Aktueller Fall

Im Rahmen der umfassenden Sanierung eines Bestandsgebäudes beauftragte der Auftraggeber verschiedene Gewerke mit der Erneuerung des Bodens des Wohnhauses, darunter auch den Auftragnehmer, mit dem es später zum Rechtsstreit kam. Dieser sollte unter anderem die Fußbodenheizung für das Erd-, Ober- und Dachgeschoss des Wohnhauses liefern und montieren. Nachdem die Fußbodenheizung eingebaut und der Estrich hergestellt war, wurde vom nachfolgend tätigen Parkettleger ein mangelhafter Fußbodenaufbau mit einer Bedenkenmitteilung moniert.

Der Parkettleger wies insbesondere auf Höhenversätze und gegenläufige Bewegungen in der Estrichkonstruktion hin. Festzustellen war, dass die Funktionalität des Bodenaufbaus nicht gegeben war. Primäre Ursache für die Mangelsymptome war eine in allen drei Etagen fehlende Lastverteilungsplatte unter dem Fußbodenheizungssystem, die nach den Absprachen der Parteien vom Trockenbauer hätte eingebaut werden müssen. Das Fehlen der Lastverteilungsplatte war für die Mitarbeiter des Auftragnehmers ohne Weiteres ersichtlich gewesen.

Nach umfangreichem Schriftverkehr hat der Auftraggeber den Auftragnehmer, der die Fußbodenheizung montiert hat und nicht das Vorgewerk, das mangelhaft gearbeitet hatte, auf die Zahlung von Schadensersatz für die Kosten einer Mangelbeseitigung verklagt. Ein wesentliches Argument des Auftraggebers war es, dass der Auftragnehmer hinsichtlich seines Vorgewerks keine Bedenkenmitteilung gegenüber dem Auftraggeber abgesetzt hat (OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2022, Az.: 24 U 65/21).

Urteil des OLG Hamm

Die Schadensersatzforderung des Auftraggebers hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm arbeitete in seinem Urteil heraus, dass sich der Auftragnehmer bei seiner Verteidigung nicht darauf berufen kann, dass sein Vorunternehmer die Lastverteilungsplatten hätte einbauen müssen. Das Gericht stellt klar, dass die Leistung des Auftragnehmers mangelhaft ist, wenn die geschuldete Funktion nicht gegeben ist. Der Auftragnehmer hätte aus Sicht des Gerichts vor der Ausführung seiner Leistung darauf hinweisen müssen, dass die vom Vorgewerk hergestellte Leistung, von der die Funktionsfähigkeit seines noch herzustellenden Werks abhängt, Fehler aufweist.

Der Auftragnehmer hätte – auch wenn er selbst die Lastverteilungsplatten nicht einzubringen hatte – das Fehlen derselben vor dem Aufbringen der Fußbodenheizung ohne Weiteres bemerken können und aus fachlicher Sicht müssen. Das Gericht moniert deutlich, dass ein wie auch immer gearteter Bedenkenhinweis des Auftragnehmers nicht erfolgt sei. Dies führe dazu, dass die Leistungen des Auftragnehmers hinsichtlich des in Rede stehenden Fußbodenaufbaus insgesamt als mangelhaft zu bewerten sind.

Das Gericht stellt in seinen Entscheidungsgründen Folgendes klar: Die Leistung eines Unternehmers ist mangelhaft, wenn sie die vereinbarte Funktion aus dem Grund nicht erfüllt, dass die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind. Der Verantwortlichkeit für den Mangel kann der Unternehmer in einem solchen Fall regelmäßig nur durch eine ausreichende Prüfung des Vorgewerks und einen sich daran anschließenden Bedenkenhinweis entgehen (OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2022, Az.: 24 U 65/21).

Für die Praxis

Die Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamm dürften für den betroffenen Auftragnehmer überraschend gewesen und möglicherweise auch als ungerecht empfunden worden sein. Hatte er doch, seiner Ansicht nach, "alles richtig gemacht" und war der Leistungsmangel doch beim Vorgewerk zu verorten. In diesem Zusammenhang ist jedoch die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung zu beachten. Insofern soll ein Werkmangel vorliegen, wenn das fertige Werk entweder die vereinbarte oder die zwar nicht vereinbarte, nach dem Vertrag aber (stillschweigend) vorausgesetzte Funktion nicht (voll) erfüllt.

Die sich hieraus ergebende Haftung des (nachfolgenden) Auftragnehmers wird festgestellt, wenn der Baumangel auf Schlechtleistungen des Vorgewerks eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist. Dies kann im Einzelfall – wie vom Oberlandesgericht Hamm entschieden – bedeuten, dass der Auftragnehmer für "fremde" Mängel bzw. Mängelursachen haftet, die er im Rahmen der Ausführung seiner Leistungen hätte erkennen und gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B beanstanden müssen.

Es sei hier darauf hingewiesen, dass eine Bedenkenmitteilung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B grundsätzlich schriftlich an den Bauauftraggeber zu richten und dass der Auftragnehmer gehalten ist, seine Bedenken gegenüber dem Auftraggeber erschöpfend, vollständig und nachvollziehbar zu erläutern. Daneben ist dem betroffenen Auftragnehmer anzuraten, für einen Zugangsnachweis seiner Mitteilung zu sorgen. Kommt es zu einer streitigen Auseinandersetzung (bei Gericht), muss er in der Lage sein, den Zugang seiner Bedenkenmitteilung nachweisen zu können (Übermittlung vorab per Telefax mit entsprechendem Protokoll, Einschreiben / Rückschein, Einwurf- Einschreiben, Übermittlung per Boten).


Weitere Informationen: Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Ohne Bedenkenmitteilung: Haftung für fremde Mängel?