Erkennt ein Auftragnehmer Probleme hinsichtlich der fachgerechten Ausführung der Vorleistung, sollte er sich nicht allein auf einen mündlichen Hinweis an den Auftraggeber verlassen.

Erkennt ein Auftragnehmer Probleme hinsichtlich der fachgerechten Ausführung der Vorleistung, sollte er sich nicht allein auf einen mündlichen Hinweis an den Auftraggeber verlassen. (Foto: © Vössing)

Bedenken mündlich mitteilen?

Die Bedenkenmitteilung des Auftragnehmers gemäß § 4 VOB/B zählt zu den zentralen Vorschriften des Bauvertragsrechts und hat eine große praktische Bedeutung für die Abwicklung von Bauverträgen.

Die Bedenkenmitteilung sollte schriftlich eingereicht werden und die betreffende Problemstellung sowie ihre möglichen Auswirkungen verständlich beschreiben. Ein mündlicher Bedenkenhinweis kann im Falle eines Rechtsstreits unter Umständen nicht anerkannt werden.

Hat der Auftragnehmer Bedenken beispielsweise gegen die vorgesehene Art der Bauausführung, die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er diese dem Auftraggeber nach § 4 Abs. 3 VOB/B unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen.

Kommt der Auftragnehmer den Maßgaben des § 4 Abs. 3 VOB/B nach, kann sich gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B eine Haftungserleichterung zu seinen Gunsten ergeben. Insofern kann eine Bedenkenmitteilung beispielsweise bei der Durchführung eines Fenster- und Fassadenbauvertrages dazu führen, dass der Auftragnehmer trotz eines Mangelvorwurfs und Schäden am Bauwerk nicht haften muss, weil er vor Leistungsausführung auf bestehende Bedenken hingewiesen hat.

Wie verhält es sich, wenn der Auftragnehmer entgegen den Maßgaben der VOB/B seine Bedenken mündlich – und nicht schriftlich – mitteilt? Mit dieser für die Baupraxis wichtigen Fragestellung hat sich das Oberlandesgericht Brandenburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil befasst.

Aktueller Fall

Der Auftraggeber hatte den Auftragnehmer als Subunternehmer mit der Ausführung von Demontage- und Abbrucharbeiten eines Parkplatzbelages, der Wiederherstellung und dem Einbau einer Rinnenkonstruktion zur Entwässerung und Erneuerung eines Parkdecks sowie dem Wiederaufbau von Pflanztrögen und der Wiederherstellung der Rinnenkonstruktion sowie des Pflasterbelages im Gehwegbereich des Parkdecks beauftragt. Die Geltung der VOB/B war vereinbart.

Nachdem der Auftragnehmer erste Arbeiten ausgeführt hatte, begann ein Streit der Parteien über die Verantwortlichkeit des Auftragnehmers betreffend vom Auftraggeber gerügter Mängel einer unvollständigen Fugenverfüllung des Pflasterbelages sowie eines fehlenden fachgerechten Einbaus der Entwässerungsrinnen.

Im Zuge der Streitigkeiten nahm der Auftraggeber den Auftragnehmer schließlich auf Kostenvorschuss sowie Kostenerstattung für die Beseitigung geltend gemachter Mängel mit gerichtlicher Hilfe in Anspruch. Vor dem angerufenen Landgericht argumentierte der Auftragnehmer dahingehend, dass er bezüglich des Pflasters aufgrund einer geringen Aufbauhöhe schriftlich Bedenken angemeldet und die Gewährleistung insoweit abgelehnt habe.

Das Landgericht folgte seiner Argumentation nicht und verurteilte den Auftragnehmer zur Zahlung des Kostenvorschusses, da die schriftliche Bedenkenmitteilung inhaltlich nicht ausreichend gewesen sei. Dem Urteil des Landgerichts trat der Auftragnehmer mit der Berufung entgegen (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2021, Az. 12 U 230/20).

Entscheidung des OLG Brandenburg

Die Berufung des Auftragnehmers hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Brandenburg arbeitete zunächst heraus, dass die schriftliche Bedenkenmitteilung des Auftragnehmers nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 3 VOB/B genügt habe, da lediglich pauschal mitgeteilt worden sei, dass aufgrund einer geringen Aufbauhöhe Bedenken angemeldet und eine Gewährleistung für die Arbeiten abgelehnt würden. Auch in einem Folgeschreiben sei diese Bedenkenanzeige lediglich wiederholt worden, ohne auf die nachteiligen Folgen und die Möglichkeit einer Fugenverschiebung bei der Ausführung der vorgegebenen Bauweise hinzuweisen.

Ergänzend arbeitete das Oberlandesgericht aber auch heraus, dass der Auftragnehmer im Rahmen einer Baubesprechung den Auftraggeber eingehend, verständlich und technisch präzise über die grundsätzliche Problematik geringer Aufbauhöhen im Falle der Herstellung von Flächenbelägen aus Betonsteinpflaster auf unterbauten Flächen unterrichtet und auf mögliche Folgen, insbesondere auf die Gefahr der Verschiebung von Fugen, hingewiesen habe.

Das Oberlandesgericht Brandenburg stellt hierzu Folgendes klar. Seiner Bedenkenhinweispflicht komme der Auftragnehmer nur nach, wenn er die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret darlegt, damit dem Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung hinreichend verdeutlicht wird.

Der Bedenkenhinweis hat zwar nach § 4 Abs. 3 VOB/B schriftlich zu erfolgen; das bedeute aber nicht, dass ein mündlicher Hinweis unerheblich sei. Vielmehr reiche ein mündlicher Hinweis aus, wenn dieser eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sei (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2021, Az. 12 U 230/20).

Für die Praxis

§ 4 Abs. 3 VOB/B sieht ausdrücklich vor, dass Bedenken schriftlich mitzuteilen sind. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Rahmen eines Grundsatzurteils aus dem Jahr 1975 geurteilt, dass ein mündlicher Bedenkenhinweis nicht geeignet sei, die Mängelhaftung gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B auszuschließen, denn die Hinweispflicht des Auftragnehmers sei durch die Regularien der VOB/B – aus Sicht des BGH - dahin verstärkt, dass die Bedenken schriftlich mitzuteilen sind, damit sie dadurch das erforderliche Gewicht erhalten.

Ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass mittlerweile mehrere Gerichte eine mündliche Bedenkenmitteilung im jeweils entschiedenen Einzelfall für ausreichend halten, mit der Konsequenz einer Haftungserleichterung für den Auftragnehmer. Die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten. In vielen Bauprozessen kommt dem Bedenkenschriftverkehr eine streitentscheidende Rolle zu, die auch über den wirtschaftlichen Erfolg eines Bauvorhabens entscheiden kann.

Im Hinblick auf die doch erheblichen Auswirkungen einer Bedenkenmitteilung auf die Durchführung des Bauvertrages kann der Auftragnehmerseite nur angeraten werden, auch zukünftig bestehende Bedenken schriftlich mitzuteilen und insofern den Anforderungen der VOB/B sowie des Bundesgerichtshofs Rechnung zu tragen.

Der mündliche Bedenkenhinweis birgt das erhebliche Risiko, dass einerseits der belastbare Nachweis eines ordnungsgemäßen mündlichen Hinweises im Rechtsstreit nicht gelingt und dass andererseits das mit der Sache befasste Gericht auf die Anforderungen der VOB/B ("schriftlich") hinweist und einen mündlichen Bedenkenhinweis nicht gelten lässt.

Von Jörg Teller
Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Weitere Informationen: Den bebilderten Fachartikel als PDF-Datei herunterladen: Bedenken mündlich mitteilen?

Das könnte Sie auch interessieren: