Christophe Lenderoth stellte die Fassadenrevitalisierung im Detail vor.

Christophe Lenderoth stellte die Fassadenrevitalisierung im Detail vor. (Foto: © Wicona / Lenderoth)

Echte Kreislaufwirtschaft in der Praxis

FASSADE - Aktuell

Februar 2024

"Fassadenbau der Zukunft": Unter diesem Motto fand am 15. Februar 2024 beim Bremer Metallbauunternehmen Lenderoth die offizielle Vorstellung der revitalisierten Unternehmensfassade statt.

Ein deutschlandweit bisher einzigartiges Pionierprojekt für echte Kreislaufwirtschaft von Lenderoth, Wicona und Saint-Gobain Glass. Mit dabei waren geladene Gäste aus Architektur, Projektentwicklung, Politik und Fachpresse.

In seinen einleitenden Worten unterstrich Moderator Martin Prösler (Proesler Kommunikation) die enorme Wichtigkeit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Diese sei vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit, der Notwendigkeit zur Einsparung von CO2 sowie zur Vermeidung von Abfall die einzige Zukunftsoption. Neues Denken und neue Wege seien erforderlich – weg von der linearen Produktion und hin zum zirkulären Bauen.

"Für uns stand der Kreislaufgedanke im Fokus"

Das Unternehmensgebäude des Bremer Metallbauunternehmens Lenderoth mit seiner revitalisierten Fassade. Foto: © Wicona / LenderothDas Unternehmensgebäude des Bremer Metallbauunternehmens Lenderoth mit seiner revitalisierten Fassade. Foto: © Wicona / Lenderoth

Zunächst stellte Christophe Lenderoth (Geschäftsführer Lenderoth GmbH) das konkrete Revitalisierungsprojekt vor. Dabei ging es darum, die 1972 erstellte Pfosten-Riegel-Fassade des unternehmenseigenen Bürogebäudes zukunftsgerecht zu sanieren – denn diese konnte den aktuellen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Wärmeschutzes und der Energieeffizienz nicht mehr gerecht werden.

Christophe Lenderoth: "Wir wollten mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur eine energieeffiziente Fassade aus Glas und Aluminium bauen, sondern auch Materialien verwenden, die besonders CO2-sparend hergestellt werden. Hier stand für uns der Kreislaufgedanke im Fokus."

Vor diesem Hintergrund – so der Bauherr – sei das gemeinsame Projekt mit den langjährigen Partnern Wicona und Saint-Gobain Glass entstanden. Im Ergebnis konnten bei der Revitalisierung der rund 370 m² großen Pfosten-Riegel-Fassade 24,6 t CO2 eingespart werden – dank der Verwendung von 100 Prozent recycelten Aluminium-Profilen und 64 Prozent recyceltem Glas.  

"Mut, jetzt Dinge neu zu tun und Dinge zu ändern"

Auch Ralf Seufert (VP Commercial North Europe Hydro Building Systems) betonte den Pionier-Charakter des Projekts. "Wir stehen vor einer riesigen Renovierungswelle und müssen die verbauten Materialien recyceln. Und genau hier setzen wir an." Dabei unterstrich der Referent die Vorreiterrolle von Wicona beim kreislauffähigen Bauen. Schon seit sechs Jahren habe das Unternehmen mit Hydro Circal ein Produkt im Markt, das zu mindestens 75 Prozent aus End-of-Life-Aluminium besteht.

Mit Hydro Circal 100R ist nun auch noch eine Aluminiumlegierung aus 100 Prozent Recycling-Material erhältlich – eingesetzt auch bei Lenderoth. Dieser Innovationsgeist erfordert ein umfangreiches technologisches Know-how, insbesondere der Sortierungs- und Wiederaufbereitungsprozess sei High-Tech, so Ralf Seufert. Derzeit werden von Hydro 55.000 Tonnen Aluminium jährlich recycelt und in den Markt zurückgeführt. Mit der Errichtung weiterer Sortierwerke unter anderem in Spanien und in England erhöhe man die Kapazitäten weiter – denn das sei die Zukunft.

Darüber hinaus habe man im Hydro Konzern alle Kompetenzen der Wertschöpfungskette in einer Hand, so Ralf Seufert. Sein Appell: "Wir können nur gemeinsam mit starken Partnern wie Lenderoth und Saint-Gobain Glass erfolgreich sein und die Kreislaufwirtschaft Realität werden lassen. Daher suchen wir immer neue Mitstreiter, die mit uns voran gehen und den Markt verändern wollen."

"Gebäude der Zukunft müssen Materialdatenbanken sein"

Christophe Lenderoth, Klaus Peter Sedlbauer, Sarah Ryglewski, Ralf Seufert und Pascal Decker (von links nach rechts). Foto: © Wicona / LenderothChristophe Lenderoth, Klaus Peter Sedlbauer, Sarah Ryglewski, Ralf Seufert und Pascal Decker (von links nach rechts). Foto: © Wicona / Lenderoth

Im Anschluss beleuchtete Pascal Decker – CEO bei Saint-Gobain Glass Deutschland – das Projekt aus Sicht des Glasherstellers. Die CO2-Neutralität bis 2050 sei wesentliches Ziel der Unternehmensstrategie. Somit investiere man sehr viel in innovative und ressourcensparende Produkte sowie neue Technologien und lege großen Wert auf enge Partnerschaften im Markt.

"Kreislaufwirtschaft kann nur gemeinsam funktionieren", so Pascal Decker. Da das Glas für mehr als 1/3 des gebundenen CO2 in einer Fassade verantwortlich sei, liege hier noch enormes Optimierungspotenzial. Vor diesem Hintergrund hat Saint-Gobain Glass die bei Lenderoth eingesetzte Fassadenverglasung Oraé entwickelt.

Dieses CO2-reduzierte Glas bietet durch die Kombination eines hohen Anteils an recyceltem Glas mit circa 64 Prozent Scherben und der Verwendung erneuerbarer Energien für die Herstellung einen besonders niedrigen CO2-Fußabdruck. Mit Blick auf die Zukunft stellte Pascal Decker klar: "Wir müssen weiterhin den Fokus auf Ressourcenschonung und CO2-Einsparung legen und vor allem den Einsatz von Sand im Produktionsprozess reduzieren. Gebäude der Zukunft müssen so geplant und realisiert werden, dass sie zu einer echten Materialbank werden."

Einblicke in die politische Agenda zur Nachhaltigkeit

Einen Einblick aus erster Hand in die Arbeit und Strategie rund um das Nachhaltige Bauen in der Bundesregierung gab Sarah Ryglewski, Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen und nachhaltige Entwicklung beim Bundeskanzler. Nachhaltigkeit sei ein "Gewinnerthema" mit gesellschaftlicher Relevanz und nicht zuletzt auch enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland (Stichwort "Rohstoffverfügbarkeit").

In diesem Zusammenhang stellte die Staatsministerin die "Allianz für Transformation" vor – ein Diskussionsformat der Bunderegierung mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft zur Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels in Deutschland. Hier stünden Themen wie Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklusbetrachtung sowie auch die CO2-Bepreisung und die Einführung von Rezyklat-Quoten auf der Agenda – es tue sich viel.

Gerade bei der Kreislaufwirtschaft gehe es aber nicht nur um die Frage des Recyclings, sondern um ein neues Geschäftsmodell mit wertvollen Rohstoffen. Sarah Ryglewski: "Jeder Bauherr und Planer muss sich schon am Anfang darüber Gedanken machen, wie das Produkt am Ende im Wertstoffkreislauf verbleiben kann."

Fassade als Schlüssel für das Wohlbefinden der Gebäudenutzer

Zum Abschluss stellte Prof. Klaus Peter Sedlbauer (Lehrstuhl Bauphysik an der TU München) in seinem Vortrag die Frage: "Wie werden wir in Zukunft leben?" Dabei ging er zunächst auf die verändernden klimatischen Bedingungen mit Starkregen sowie zunehmenden Hitzeperioden im Sommer ein – diese müssten bei der Planung von Gebäuden noch konsequenter berücksichtigt werden.

"Wir bauen Gebäude und insbesondere auch Fassaden nicht um Energie zu sparen, sondern um den Menschen ein Klima zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Fassaden müssen entsprechend konzipiert werden, zum Beispiel hinsichtlich Akustik, Schallschutz, Licht bzw. Beleuchtung und Innenraum-Luftqualität."

Die Fassade als "urbane Oberfläche" sei maßgeblich für das Bauen der Zukunft und müsse immer in Verbindung mit der Interaktion mit dem Menschen stehen. Als zentrale Stellschrauben im Sinne der Nachhaltigkeit gelte es, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken (Herstellung, Nutzung, Ende) sowie die benötigte Energie günstig herzustellen und zu decken. Und zwar nicht nur im Neubau. Prof. Sedlbauer: "96 Prozent der Gebäude sind im Bestand – die Energiewende wird hier entschieden. Wir brauchen die Erhöhung der Sanierungsquote."


Weitere Informationen: www.wicona.com
hydro.com
www.lenderoth.de