Die vollen Säle zeigen das große Interesse der Fenster- und Fassadenbranche an den Themen der Rosenheimer Fenstertage.

Die vollen Säle zeigen das große Interesse der Fenster- und Fassadenbranche an den Themen der Rosenheimer Fenstertage. (Foto: © ift Rosenheim)

49. Rosenheimer Fenstertage: Bekenntnis zum Klimaschutz

Mit den 49. Rosenheimer Fenstertagen gab es die lang erwartete Rückkehr des größten Fachkongresses der Fenster- und Fassadenbranche.

Die lebendigen Gespräche in den Pausen und auf dem bayerischen Festabend – die Freude am persönlichen Austausch war mit den Händen zu greifen. Aber auch das Vortragsprogramm überzeugte die 522 Teilnehmer, denn die Vortragsäle waren stets gut gefüllt. Die vielen Vorträge zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit beleuchteten das Thema aus strategischer, wirtschaftlicher, ordnungspolitischer und praktischer Sicht.

Alle Referenten waren sich einig, dass die Zeit drängt und eine Steigerung der energetischen Sanierungsquote notwendig und auch machbar ist. "Wir schaffen das" war der einstimmige Tenor und wurde damit dem diesjährigen Motto "Aufbruch in die neue Klimazeit" voll gerecht.

Dr. Jochen Peichl (CEO ift Rosenheim) eröffnete die Fenstertage auch in Anlehnung an eines der bekanntesten Filmzitate "We are back". Hinter dem erfolgreichen Neustart der Rosenheimer Fenstertage standen aber auch hunderte Stunden intensiver Arbeit, um ein Top-Programm mit kompetenten Referenten und einen umfassenden Service zu entwickeln, damit sich die 522 Teilnehmer rundum wohl fühlen konnten.

"Aufbruch in die neue Klimazeit"

Den Auftakt zum "Aufbruch in die neue Klimazeit" machte der Institutsleiter Prof. Jörn P. Lass, der in seinem Vortrag "Nachhaltig Bauen – Fenster, Türen und Fassaden als Bausteine der Energie- und Ressourcenwende" sehr genau die zu erwartenden Anforderungen und Nachweise beschrieb, mit denen die Hersteller und Zulieferer rechnen müssen. Als Basis sind zwar die Daten einer Umweltproduktdeklaration (EPD) vorhanden, aber für eine praktisch brauchbare Bewertung der Nachhaltigkeit und Klimasicherheit von Bauelementen braucht es weitere Kenndaten und Bewertungen.

Diese werden aber durch die bestehenden Normen nur sehr unvollständig abgedeckt. Deshalb wird das ift Rosenheim bis zur BAU 2023 ein entsprechendes Bewertungssystem entwickeln, das gemäß der Saalumfrage von 88% der Teilnehmer als notwendig erachtet wurde. Mit den Worten "Fenster und Fassaden sind die einzigen Bauprodukte, die Energie gewinnen können" spornte er die Branche zu Optimismus und mehr Engagement an.

Zeit für Verringerung des Klimawandels sehr knapp

Die ift-Experten standen den Teilnehmern auf dem Meetingpoint mit Expertise zur Verfügung. Foto: © ift RosenheimDie ift-Experten standen den Teilnehmern auf dem Meetingpoint mit Expertise zur Verfügung. Foto: © ift Rosenheim

In die gleiche Richtung argumentierte der renommierte Klimaexperte Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK), der eindringlich mahnte, dass die Zeit für eine Verringerung des Klimawandels sehr knapp geworden ist und bis 2030 die CO2-Emissionen drastisch reduziert werden müssen, bevor Kipp-Punkte dies extrem erschweren. Positiv stimmte, dass die Technik für den Wandel vorhanden ist, denn die Photovoltaik und Windenergie sind bereits jetzt die günstigsten Arten, Strom zu erzeugen – selbst in Deutschland.

Zudem räumte er das häufige Missverständnis aus, dass eine Temperaturerhöhung von 1,5 – 2,0°C in Deutschland und Europa ja nicht so schlimm wäre. Bereits jetzt ist diese in Deutschland mit 2,0°C doppelt so hoch wie im Durchschnitt und führt in Europa zu regelmäßigen Hitzewellen, zunehmender Dürre, Bränden und Waldsterben. Bei der letzten Hitzewelle in 2003 gab es in Europa ca. 70.000 Hitzetote und für 2022 werden über 100.000 Opfer geschätzt. Durch die Veränderungen des Jetstreams kommt es zudem regelmäßig zu lokalen Starkregen und Überschwemmungen.

Da die Welt bei den jetzigen Maßnahmen auf eine Temperaturerhöhung von ca. 3,2 °C zusteuert, ist konsequentes Handeln gefragt – gerade auch im Gebäudebereich, der sehr überproportional fossile Brennstoffe verbraucht und sich durch die dezentrale Energieversorgung nur sehr langsam ändern lässt. Prof. Rahmstorf erwartet daher auch eine "Zeitenwende" bei den politischen Vorgaben zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands.

Kernbotschaften von Martin Langen

In die gleiche Richtung argumentierte auch Martin Langen (B+L Markdaten), der folgende Kernbotschaften präsentierte, die auf aktuellen Analysen und langjährigen fundierten Erfahrungen beruhen:
• Die Bauindustrie ist nicht mehr zyklisch, folgt auch nicht zwingend der allgemeinen Wirtschaft und wird von der Politik als systemrelevanter volkswirtschaftlicher Zweig auch in Krisen von der Politik gestützt.
• Die Politik wird sich bei den Förderungen auf die energetische Sanierung und den Neubau des Sozialen Wohnungsbau (MFH) fokussieren. Das Einfamilienhaus (EFH) wird deutlich an Förder-Relevanz verlieren, auch wenn es das Wunschziel vieler Menschen ist.
• Die (notwendige) massive Zuwanderung erzeugt Umzüge, die meistens als Sanierungsanlass dienen und damit auch die energetische Sanierung fördern.
• Die höheren Baukosten werden die Bautätigkeiten nur vorübergehend bremsen und führen nicht zu einem dauerhaften Rückgang.
• Solange höhere Hypothekenzinsen deutlich unter der Inflation liegen, führen diese nicht zu einem Einbruch der Bautätigkeiten, insbesondere im Mehrfamilien-Wohnungsbau.
• Höhere Energiekosten führen zur energetischen Sanierung.
• Die Auftragslage bleibt mittelfristig positiv, weil es einen Überhang von ca. 800.000 genehmigten Wohneinheiten gibt, die mehrheitlich aus 2020-2022 stammen.

Der Großteil des starken Einbruchs der Bauwirtschaft im Sommer 2022 sieht Martin Langen als vorübergehendes Phänomen an, weil er als Ursache die stark reduzierten Kapazitäten durch coronabedingten Krankstand und Quarantäne sowie die Urlaubswelle (Betriebsschließungen) sieht.

Detaillierte Anleitung

Prof. Christian Niemöller gab im vierten Plenumsvortrag eine sehr detaillierte Anleitung, wie insbesondere Fenster- und Fassadenhersteller die aktuellen Lieferschwierigkeiten von Material und Bauelementen als Behinderung anzeigen können, wenn diese auf den Krieg in der Ukraine als "unabwendbare Umstände" zurückgeführt werden können.

Die VOB/B bietet hier gegenüber einem BGB-Bauvertrag deutliche Vorteile, denn der §6 beinhaltet Regeln wie die Auswirkungen "unabwendbarer Umstände" Fristen, Vergütung und Leistung auch vor der Abnahme geltend gemacht werden können. Bei einem BGB-Vertrag trägt der Auftragnehmer bis zur Abnahme hingegen das volle Risiko. Wer es genau wissen will, sollte sich die detaillierten Folien genauer ansehen.

Deutliche Förderung erwartet

Prof. Jörn P. Lass zeigte Studenten aus Rosenheim und Mosbach das ift-Brandschutzzentrum. Foto: © ift RosenheimProf. Jörn P. Lass zeigte Studenten aus Rosenheim und Mosbach das ift-Brandschutzzentrum. Foto: © ift Rosenheim

Am Donnerstag berichteten Thomas Drinkuth (Repräsentanz Transparente Gebäudehülle) und Frank Lange (Verband Fenster + Fassaden, VFF) über die neuesten Entwicklungen zu den möglichen Ordnungs- und förderpolitischen Maßnahmen der Regierung. Auch wenn alles noch im Fluss ist, sind doch einige Eckpunkte klar erkennbar. Die aktuelle Energiekrise hat vielen Politikern klargemacht, dass neben einer Förderung der regenerativen Energien eine Verbesserung der Energieeffizienz zwingend nötig ist.

Das Paradebeispiel ist die Wärmepumpe, denn es ist deutlich geworden, dass diese nur in einem gut gedämmten Gebäude energieeffizient ist. Deshalb rechnen beide Referenten mit einer deutlichen Förderung für die energetische Sanierung und sprachen sogar von einem "Sanierungsbooster". Es ist auch zu erwarten, dass in der nächsten Novelle des Gebäudenergiegesetzes (GEG) die solaren Gewinne angerechnet werden und die Anforderungen an den U-Wert der Gebäudehülle relativiert werden.

Das führte auch Dr.-Ing. Stephan Schlitzberger (IB Hauser GmbH) in seinem Vortrag detailliert aus. Interessant war ebenso der Einblick in die Mechanik der Regierung und die Motivation der Politiker, die nicht nur Probleme lösen wollen, sondern immer auch die Wähler und die nächste Wahl im Blick haben. Erwähnt wurde auch der Druck aus Europa in Form der "Minimized Energy Performance Standards (MEPS), in der bis 2030 ein klimaneutraler Gebäudebestand gefordert wird. Beide Referenten appellierten abschließend an die Branche "Wir müssen jetzt Gas geben, damit die Energiewende gelingt".

Wichtige Details

Die weiteren Vorträge ergänzten die Plenumsvorträge durch wichtige Details. Hierzu zählen Informationen zum:
• aktuellen Stand der Recyclingmöglichkeiten (Rewindo GmbH) und Walter Lonsinger (A|U|F e.V.), Jochen Grönegräs (Bundesverband Flachglas e.V.) und Gerald Feigenbutz (QKE e.V.),
• aktuellen Stand und Ausblick auf die Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von Dr.-Ing. Stephan Schlitzberger (IB Hauser) mit den zu erwartenden Anforderungen an Glas, Fenster und Fassaden,
• Update zum Stand der Technik der schwierigen Schnittstelle der Bauwerksabdichtung von Wolfgang Jehl (ift Rosenheim),
• zur thermischen Sanierung von Kastenfenstern mit Vakuum-Isolierglas (VIG) Dr. techn. Ulrich Pont (TU Wien),
• zum innovativen Einsatz von Vakuumglas und weiteren kreativen Ideen im studentischen Projekt "Solar Decathlon" von Prof. Dr. Jochen Stopper (TH Rosenheim) und
• praktische und strategische Hinweise zur Entwicklung von Fenstern und Fassaden im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung von Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler (Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Schüco International) sowie
• Lösungen zur sehr schwierigen Vereinbarung von Klimaschutz und Denkmalschutz am Beispiel der neuen Nationalgalerie von Jürgen Einck (Drees & Sommer).

Ergänzt wurde das Hauptthema "Klimaschutz" durch Vorträge zum Brexit und dem britischen Konformitätszeichen "UKCA" (Roland Fischer, ift Rosenheim), zur Dauerhaftigkeit von antimikrobiellen Oberflächen (Norbert Sack, ift Rosenheim und Christian Scherer (Fraunhofer-Institut für Bauphysik, IBP) und zur fachgerechten Befestigung und zum Nachweis von absturzsichernden Bauelementen (Prof. Dr. Benno Eierle, TH Rosenheim),

Auch der Power-Workshop am Dienstagnachmittag waren mit fast 100 Teilnehmern gut besucht, denn er vermittelte wertvolle Tipps zur "Vereinfachung der Fenstermontage mit Kosten- und Zeitersparnissen durch digitale Helfer" (Marc Schütt, ö.b.u.v. Sachverständiger im Tischlerhandwerk), der "Montage von absturzsichernden Elementen" (Martin Heßler, ift Rosenheim), einem Praxisbericht zur energetischen Sanierung mit Fenstern aus Sicht eines Energieberaters" (Dieter Tausch, Ingenieurbüro für Gebäudeenergie und Fenstertechnik) und Praxistipps für die richtige Planung, Auftragsvorbereitung und Montage von Profilverbreiterungen (Ingo Leuschner, ift Rosenheim).

Bayerischer Abend

Beste Partystimmung nach dem bayerischen Teil der Rosenheimer Fenstertage mit Evergreens der Pop- und Rockmusik. Foto: © ift Rosenheim/Anton Zaharkov, Knipser PhotographyBeste Partystimmung nach dem bayerischen Teil der Rosenheimer Fenstertage mit Evergreens der Pop- und Rockmusik. Foto: © ift Rosenheim/Anton Zaharkov, Knipser Photography

Einer der Höhepunkte war wieder einmal der bayerische Abend mit "Oktoberfestflair" und der Überraschungsparty mit Zirkusatmosphäre und einer Liveband, die mit populären Rock- und Popsongs zum Mittanzen und Mitsingen motivierte.

Am Donnerstagnachmittag besuchten über 50 Fenster- und Fassadenexperten die hervorragenden Prüfmöglichkeiten der neuen ift-Labore Bauakustik und Fassaden sowie des Technologiezentrums.

Das ift-Führungstrio, bestehend aus Dr. Jochen Peichl (CEO), Michael Breckl-Stock (CTO) und Prof. Jörn Peter Lass (Institutsleiter) war deshalb auch über das sehr positive Feedback der Teilnehmer erfreut und sind nun gespannt auf das Wiedersehen zu den 50. Fenstertagen am 11.+12. Oktober 2023.


Weitere Informationen: www.ift-rosenheim.de