Fassadenbau ohne Aluminium denkbar?
Aluminium ist der dominierende Werkstoff im Fassadenbau. Das formbare Material ermöglicht ganz individuelle Konstruktionen und schafft in Kombination mit Glas Gebäudehüllen mit maximaler Transparenz.
Aber es gibt auch Kritik. Im Fokus steht dabei die sehr energieintensive Herstellung des Primäraluminiums.
Die Erdkruste besteht zu ungefähr acht Prozent aus Aluminium. Mit diesem Anteil ist Aluminium das dritthäufigste chemische Element und das häufigste Metall der Erde und nahezu unerschöpflich verfügbar. Eisen hat vergleichsweise nur einen Anteil von sechs Prozent. Nach Eisen ist Aluminium das am zweithäufigsten verwendete Metall.
Gegenüber den klassischen Werkstoffen wie Stahl oder Kupfer handelt es sich bei Aluminium um einen relativ jungen Werkstoff. Die industrielle Herstellung hat vor etwa 120 Jahren begonnen. Die weltweite Produktion liegt heute bei etwa jährlich 100 Millionen Tonnen. In der ersten Phase der Aluminiumproduktion muss eine erhebliche Menge an Primärenergie investiert werden.
Der hohe Energieverbrauch bei der Gewinnung des Primäraluminiums aus dem Erz Bauxit steht berechtigterweise in der Kritik. Die Sinnhaftigkeit der intensiven Herstellungskosten des Aluminiums waren bereits in den 1970er Jahren Gegenstand von Diskussionen im Bausektor. Das Edelmetall wurde gar mit Gold verglichen.
In der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion ist die Kritik mittlerweile differenzierter geworden. Sie resultiert jedoch häufig aus einer einseitigen Betrachtung des Werkstoffs. Insbesondere wenn es dabei um die Ermittlung der CO2-Äquivalente, des globalen Erwärmungspotenzials (Global Warming Potential) des Baustoffes geht, schneidet Aluminium gegenüber anderen Baustoffen schlechter ab.
Bei den gängigen Rechenmethoden zur Ermittlung des globalen Erwärmungspotenzials hätte Aluminium beispielsweise gegenüber anderen im Fassaden- und Fensterbau üblichen Materialien wenig Chancen. Derartige Bewertungsmethoden haben jedoch einen Haken: Hier bleiben nicht nur die Recyclingfähigkeit des Werkstoffes unberücksichtigt, sondern auch die konstruktiven und statischen Zusammenhänge im Fassadenbau.
Die Abhängigkeit von Aluminium im Fassadenbau bleibt bei solchen einseitigen Betrachtungen leider unberücksichtigt. Das betrifft nicht nur die Aluminiumprodukte selbst, sondern auch andere Werkstoffe, die nur mit Hilfe von Aluminium im Bereich der Gebäudehülle einsatzfähig sind.
Recyclingfähigkeit von Aluminium
Stranggepresste Aluminiumprofile in schier unüberschaubarer Vielfalt sind die Grundlage für moderne Fassaden mit ganz individuellen Erscheinungsbildern und Leistungsmerkmalen. Foto: © VössingDie Recyclingfähigkeit von Aluminium sollte bei der Nachhaltigkeitsbetrachtungen mehr fokussiert werden. Mittlerweile sind die Recycling- Methoden auch deutlich effizienter als früher. In dieser Disziplin ist Aluminium konkurrenzlos.
Zum Einschmelzen des alten Aluminiums sind nur fünf Prozent der Energie notwendig, die zur Erzeugung des Primäraluminiums eingesetzt werden. Im Gegensatz zu anderen Werkstoffen kann Aluminium ohne Qualitätsverlust für den Wiedereinsatz im Fassadenbau eingeschmolzen werden. Das Einschmelzen führt zu keinem qualitativen Unterschied zum Primäraluminium.
Günstige Materialeigenschaften
Folgende Eigenschaften des Aluminiums begründen den nachhaltigen Erfolg des Werkstoffs im Fassadenbau:
- hohe Verfügbarkeit
- geringe Volatilität und relativ günstige Rohstoffpreise
- geringes spezifisches Gewicht
- relativ hohe mechanische Festigkeitseigenschaften
- hohe Duktilität (keine Risse bei Längenausdehnungen)
- gute Verarbeitbarkeit infolge großen plastischen Verformungsvermögens
- gute Schweißeignung
- Korrosionsbeständigkeit gegen viele Medien (chemische Beständigkeit)
- dekorative Wirkung der Oberfläche
- unmagnetisches Verhalten
- Nichtbrennbarkeit (A1, organisch beschichtet A2)
- hohes Reflexionsvermögen (Sonnenschutzindustrie)
- Nichtgiftigkeit (glatte porenfreie Oberfläche)
- Dampfdichtigkeit (bereits ab einer Materialdicke von 0,65 mm)
- hohe elektrische Leitfähigkeit
Einfluss auf den Fassadenbau
Mit der Entdeckung des Bauxits als Rohstoff für die Aluminiumgewinnung und dem 68 Jahre später entwickelten Bayer-Verfahren zur Optimierung der industriellen Gewinnung von Aluminium wurde nicht nur der Meilenstein für die Entwicklung der Vorhangfassaden (Curtain Wall) gelegt, sondern auch für die moderne Architektur.
Die Patente zur großtechnischen Gewinnung des Aluminiums wurden erst 1886 erteilt. Etwa zehn Jahre später konnte bei der Kirche San Gioacchino in Rom das erste Dach mit Aluminium gedeckt werden. Aufgrund seiner günstigen Eigenschaften wurde das Edelmetall Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst in die Luftfahrtindustrie eingeführt.
In den USA kam das Leichtmetall bereits in den 1930er Jahren vermehrt im Fassadenbau zum Einsatz, um die tragenden Konstruktionen der Wolkenkratzer zu entlasten. Das Rockefeller Center wurde mit 22.000 Aluminium- Tafeln verkleidet, die zu einer Gewichtsreduzierung von 3.000 Tonnen geführt haben sollen.
Das Empire State Building wurde 1935 als weltweit erstes Gebäude mit anodisierten Alu-Gussplatten verkleidet. Mit der weltweit industriellen Einführung wurde jedoch erst ab den 1950er Jahren begonnen. Ab diesem Zeitpunkt wurde Aluminium günstiger und im Preiswettbewerb konkurrenzfähig mit anderen Werkstoffen. Die Erzeugung und der Verbrauch von Aluminium sind seitdem durch eine expansive Entwicklung gekennzeichnet.
Der Fassadensektor als Hauptabnehmer des Aluminiums in der Baubranche stellte ein lukratives Geschäft für die Aluminiumhersteller dar. Der Aluminium-Gigant Alcoa Inc. (Aluminum Company of America) übernahm zu diesem Zeitpunkt den USamerikanischen Fassadenbaugiganten Cupples. Durch den Einsatz von Aluminium im Fassadenbau konnten zahlreiche Architekturikonen realisiert werden. Alleine bei der Fassade des John Hacock Centers in Chicago wurden in den 1960er Jahren 1.100 Tonnen Aluminium verbaut.
Anwendungsgebiete im Fassadenbau
Grundsätzlich sind für den Fassadenbau zwei Einsatzgebiete hervorzuheben:
- Fassaden- / Fensterprofile aus stranggepresstem Aluminium: Die Presswerke erhalten das Aluminium in Form von Pressbarren / Pressbolzen zum Pressen von endgültigen Profilen mit unterschiedlichsten Querschnitten. Hierbei werden alle notwendigen Funktionen zur Aufnahme von Dichtungen, Beschlägen, Verbindern und Schraubkanälen in einem Vorgang realisiert.
- Wetterschalen (Fassadenverkleidungen) aus gewalztem Aluminium: Die Walzwerke erhalten das Aluminium in Form von Walzbarren, die durch den Walzvorgang zu Blechen in unterschiedlichen Dicken gewalzt werden.
Ein drittes Einsatzgebiet sind die Aluminiumgussprodukte, die heute weniger eingesetzt werden. Ihren Höhepunkt hatten die Fassadentafeln aus Aluminiumguss in den 1960er und 1970er Jahren.
Beim Konstruieren zu beachten
- zwängungsfreie Lagerung (Möglichkeit zur Längenausdehnung)
- Geeignete Maßnahmen gegen verschiedene Korrosionsarten
- Bimetall-Effekt bei thermisch getrennten Verbundprofilen
- begrenzte Tragfähigkeit der äußeren Schale bei thermisch getrennten Verbundprofilen (z.B. Aufnahme von zusätzlichen Lasten durch Prallscheiben)
- Abmessungen und Mindestmengen beim Pressen von Sonderprofilen
Fazit
Die Aluminiumproduktion benötigt zwar eine große Menge an Primärenergie. Gleichzeitig bietet jedoch der Werkstoff bei einer ganzheitlichen Betrachtung sehr viele Potenziale, die den nachhaltigen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen begünstigen.
Aluminium wird aufgrund seiner Eigenschaften auch in Zukunft der zentrale Werkstoff des Fassadenbaus bleiben. Ein Ersatzwerkstoff mit weniger Primärenergieverbrauch wäre theoretisch denkbar, musste aber erst entdeckt bzw. erfunden werden.
Weitere Informationen: www.kd-fassadenplanung.de
Über den Autor: Dipl.-Ing. Karan Djalaei ist Gründer des auf Fassadentechnik spezialisierten Büros KD Fassadenplanung. Er berät als Fassadenplaner private Investoren, Projektentwickler, Architekten, Generalunternehmer, Fassadenbauer und die öffentliche Hand in allen Fragen rund um die Gebäudehülle. Ein Lehrauftrag für Fassadentechnologie an der TH Köln sowie Fachveröffentlichungen und -vorträge gehören zu seiner nebenberuflichen Tätigkeit.
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