Dass die Windgrenzwerte als Garant für die Gebrauchstauglichkeit und Langlebigkeit außenliegender Sonnenschutzanlagen einzuhalten sind, scheint eine höhere Aufmerksamkeit in der Planungsphase zu genießen. Dies mag vor allem auf die Schadensfälle der vergangenen Jahre zurückzuführen sein.
Jedoch werden nicht alle herstellerseitigen Vorgaben in der Planungspraxis genauso sensibel behandelt wie die zur Vermeidung von Schäden durch die Windbeanspruchung.
Die in den Baugrenzwerten der jeweiligen Hersteller festgelegten maximal und minimal Abmessungen für Raffstoreanlagen gehören beispielsweise zu den Herstellervorschriften, die keine große Aufmerksamkeit genießen.
Baugrenzwerte variieren
Die Baugrenzwerte variieren zudem von Hersteller zu Hersteller. Insofern ist es bei einer produktneutralen Planung und Ausschreibung erst einmal nachvollziehbar, wenn auf derartige herstellerspezifische Einschränkungen nicht immer Rücksicht genommen wird.
Oder die Fassadengestaltung hat in manchen Fällen eine höhere Priorität als die Baugrenzwerte eines Sonnenschutzherstellers. Beides Szenarien, die vor ein paar Jahren noch kein Problem dargestellt haben, heute aber nicht mehr ohne weiteres umzusetzen sind!
Strengerer Umgang
Vor einigen Jahren hat sich nämlich eine Marktbereinigung in der Sonnenschutzbranche vollzogen, die zu einer Reduzierung der Anzahl der Hersteller geführt hat. Im Anschluss konnte bei den übriggebliebenen Herstellern ein sensiblerer Umgang mit den Baugrenzwerten festgestellt werden.
Vor dem Hintergrund diverser Reklamationen wegen Funktionseinschränkungen entschlossen sich manche Hersteller zu einem strengeren Umgang mit dieser Thematik. Heute reicht beispielsweise eine kleine Abweichung im Millimeterbereich, um die Gewährleistung für eine funktionsgerechte Nutzung von Raffstoreanlagen einzuschränken oder komplett abzulehnen.
Abhängigkeit der Planung von Baugrenzwerten
Ein Beispiel für einen gelungenen Einsatz trotz grenzwertiger Abmessungen. Foto: © KD FassadenplanungDie Baugrenzwerte von Raffstoreanlagen beeinflussen nicht nur die Fassadengestaltung selbst. Auch die gesamte Raumaufteilung und die Flexibilität einer Immobilie kann hiervon stark abhängen. Die Praxiserfahrung zeigt, dass Abweichungen von Herstellervorgaben manchmal bis zur Vergabe unbemerkt bleiben und der Bauherr erst kurz vor der Lieferung durch den Sonnenschutzhersteller über die Funktionseinschränkungen informiert wird.
Er wird zudem vom Hersteller angehalten, eine schriftliche Vereinbarung über die Gewährleistungseinschränkungen im Vorfeld der Lieferung einzugehen. In solchen Fällen stehen nicht nur unangenehme Diskussionen mit dem Bauherrn auf der Tagesordnung.
Die Nichteinhaltung von Baugrenzwerten kann haftungstechnische Konsequenzen nach sich ziehen, sofern der Bauherr in den Entscheidungsprozess nicht eingebunden und über die Konsequenzen nicht aufgeklärt ist.
Kritische Baugrenzwerte
Bei Baugrenzwerten sind weniger die Maximalgrößen von Sonnenschutzanlagen Gegenstand von Diskussionen. Vielmehr geht es dabei um die beiden Themen die „Mindestbreite“ und das „Höhen-Breiten-Verhältnis“, die seit der vorgenannten Marktbereinigung zunehmend für Ärger auf der Bauherrenseite sorgen.
Die Vorgaben hinsichtlich Maximalabmessungen und Maximalfläche des Behangs sind selbstverständlich auch einzuhalten. Hier beschränkt sich jedoch das Problem meistens auf den Einsatz von zusätzlichen Seilen, welche als optisch problematisch empfunden werden können.
Das Höhen-Breiten-Verhältnis
Eine Überschreitung des Höhen-Breiten- Verhältnisses wird nicht von allen Herstellern in der gleichen Art und Weise als kritisch bewertet. Bei Projekten mit einer großen Stückzahl von Raffstoreanlagen, die nur von wenigen Herstellern ausgeführt werden können, ist das Höhen-Breiten-Verhältnis von großer Relevanz. Bei größeren Bauvorhaben muss der Bauherr deshalb mit Gewährleistungseinschränkungen rechnen, falls dort eine Abweichung vorliegt.
Überschreitet die Höhe bei Breiten < 0,8 – 1 Meter das Größenverhältnis von 1:4 führt dies bei zu folgenden Funktionseinschränkungen, für die manche Hersteller keine Gewährleistung übernehmen:
• Schräglauf / Schräghang des Behangs
• Verschlechterung des Lamellenschlusses
• Übermäßiger Verschleiß der Aufzugsbänder
• Verkanten der Lamellen in den Führungsschienen
Es gibt aber auch Referenzen, wo das Höhen- Breiten-Verhältnis überschritten wurde und die Funktionseinschränkungen trotzdem nicht eingetreten sind. Die Referenzen stammen meistens aus der Zeit, wo die Baugrenzwerte noch nicht Gegenstand der gewährleistungstechnischen Fragen waren.
Die Mindestbreite
Die Unterschreitung der Mindestbreite führt ebenfalls zu Funktionseinschränkungen. Hier sind folgende Punkte hervorzuheben:
• Schräglauf / Schräghang des Behangs
• Reißen des Aufzugsbands im Extremfall nicht ausgeschlossen
• Verschlechterung des Lamellenschlusses
Beispiel aus der Praxis
Beispiel für eine Unterschreitung der Mindestbreite der Lamellen. Foto: © KD FassadenplanungDer Entwurf für die neue Zentrale eines Unternehmens war aufgrund einer ungewöhnlich hohen Flexibilität aus einem Wettbewerb als Sieger hervorgegangen. Ein ausgeklügeltes Achsraster der Fassade sollte es ermöglichen, in jeder Achse nachträglich eine Trennwand aufstellen zu können.
Das Achsraster der Fassade wurde basierend auf dem typischen Innenausbau-Raster von 1,20 Meter aufgebaut und zur Erreichung einer höchstmöglichen Flexibilität noch einmal geteilt, so dass das Fassadenraster nur noch 60 Zentimeter betrug. Das Raumprogramm wurde in diesem Fall später im weiteren Projektverlauf auf der Basis des eng gewählten Achsrasters entwickelt.
Einhaltung der Baugrenzwerte
Als Sonnenschutz wurden außenliegende Raffstoreanlagen geplant. Es war richtigerweise davon ausgegangen, dass die Baugrenzen des Herstellers bei dem gewählten Raffstore-Produkt eine Mindestbreite bis zu 60 Zentimeter erlauben. Es wurde dabei jedoch übersehen, dass mit 60 Zentimetern das Lamellen-Maß gemeint ist und nicht das Achsraster der Fassade.
Zur Einhaltung der Baugrenzwerte aller infrage kommenden Hersteller blieben nur noch folgende Alternativen übrig:
• Änderung der Flexibilität beim Raumprogramm dahingehend, dass nur in jeder zweiten Achse eine Trennwand an die Fassade angeschlossen werden konnte.
• Statt der geplanten Motorsteuerung, die Anlagen mit Handkurbel auszuführen.
• Zusammenfassung von jeweils zwei Anlagen mit einem Achsraster von 1,20 m (die Bedienung hätte bei manchen Anlagen erst mit dem Nachbarn abgestimmt werden müssen).
• Verbreiterung des Achsrasters bis zur Einhaltung der Mindestbreite der Lamelle mit der Konsequenz, dass die gesamte Grundrissorganisation einschließlich der massiven Wände in den Kernzonen hätte angepasst werden müssen.
Kompensatorische Maßnahmen
In diesem Zusammenhang sind eher keine Kompensationsmaßnahmen möglich. Folgendes wird jedoch von manchen Herstellern in Angriff genommen, wenn die Baugrenzwerte nicht mehr eingehalten werden können:
• Beschweren des Fallstabes, um den Lamellenbehang dadurch schwerer und stabiler zu gestalten – eine Garantie des Herstellers für eine störungsfreie Funktion gibt es aber trotzdem nicht.
Regelwerke zu Baugrenzwerten
Bei Baugrenzwerten für Raffstoren sind immer die Vorgaben des jeweiligen Herstellers zu beachten. Unter Umständen muss sogar auf eine produktneutrale Ausschreibung verzichtet werden, wenn bestimmte Abmessungen aus gestalterischen und funktionalen Gründen notwendig sind.
Die von einem Hersteller definierten Baugrenzwerte bzw. Grenzmaße stellen insofern die anerkannten Regeln der Technik dar und sind somit zunächst einmal zwingend einzuhalten. Die Richtlinie zur Beurteilung der Produkteigenschaften von Raffstoren / Außenjalousien vom ITRS untermauert zudem die Gewährleistungseinschränkungen mancher Hersteller. Hiernach sind 15 Millimeter / Meter Behanghöhe als Abweichung aus der Horizontalen für den Schräglauf der Unterschiene als Stand der Technik anzusehen.
Ferner wird unter der Rubrik „Schräglauf / Schräghang der Unterschiene“ auf folgendes hingewiesen:
• „Bei Anlagen <800 Millimeter Breite kann der Wert wesentlich größer ausfallen, insbesondere bei hohen Behängen.“
Empfehlungen des Autors
Steht die Einhaltung von herstellerseitigen Baugrenzwerten im Widerspruch zu architektonischen Zielvorgaben, müssen dem Bauherrn im Vorfeld die möglichen Funktionsstörungen und Gewährleistungseinschränkungen klar kommuniziert werden.
Erst durch eine lückenlose Aufklärung des Bauherrn wird er in die Lage versetzt, sich für die geplante Abweichung zu entscheiden oder die architektonischen Zielvorgaben zu ändern.
Von Dipl.-Ing. Karan Djalaei
www.kd-fassadenplanung.de
Über den Autor: Karan Djalaei ist Gründer des auf Fassadentechnik spezialisierten Büros KD Fassadenplanung. Er berät als Fassadenplaner private Investoren, Projektentwickler, Architekten, Generalunternehmer und die öffentliche Hand in allen Fragen rund um die Gebäudehülle. Ein Lehrauftrag für Fassadentechnologie an der TH Köln und Fachveröffentlichungen und -vorträge gehören zu seiner nebenberuflichen Tätigkeit.
Den kompletten Artikel können Sie hier kostenfrei herunter laden: Baugrenzwerte bei Raffstoreanlagen
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